FISCUS

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Definition

1993 wurde von den Bundesländern mit Unterstützung des Bundes das Projekt FISCUS (Föderales Integriertes Standardisiertes Computerunterstütztes Steuersystem) gestartet. Ziel des Projekts war es, eine bundesweit einheitliche Softwarelösung zur Automatisierung des Besteuerungsverfahren zu entwickeln, welches in sämtlichen deutschen Finanzbehörden eingesetzt werden sollte.

Erster Versuch

Allgemeine Beschreibung

Zusätzlich zu dem oben genannten Projektziel sollte ein länderübergreifender Zugriff auf die Steuerdaten ermöglicht werden, welcher mit der bisherigen Software nicht möglich war. Diese mangelnde DV-Unterstützung erschwerte die Bekämpfung von Steuerbetrug bei länderübergreifenden Sachverhalten ungemein.

Ein weitere Grund, der für das Projekt sprach, war die aufwändige Wartung der bisherigen Software, da die in den 1960er- bis 1970er-Jahren entwickelte Software noch überwiegend in COBOL und Assembler geschrieben worden war. Darüber hinaus waren Anpassungen meist mehrfach notwendig, da in den einzelnen Bundesländern verschiedene Programme zum Einsatz kamen.

Da überdies die Anforderungen an die Steuerverwaltung stetig zunahmen, beispielsweise durch häufige Änderungen des Steuerrechts, sah man es als notwenig an, ein einheitliches System zu entwickeln, das in sämtlichen Finanzbehörden eingesetzt werden konnte.

Projektumfang

Die Software sollte die Steuerverwaltungen der Länder in allen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, insbesondere im Besteuerungsverfahren, unterstützen und diese automatisieren. Hauptsächlich sollte das System in Finanzämter und Landesfinanzbehörden eingesetzt werden, wobei es allerdings auch möglich sein sollte, externe Partner wie beispielsweise Steuerberater anzubinden.

In der Bundesrepublik gab es insgesamt circa 650 Finanzämter. Die wesentliche Schwierigkeit hierbei war, dass diese mit teilweise sehr unterschiedlichen Aufgabenbereichen betraut waren und dazu teilweise noch sehr unterschiedliche Organisationsstrukturen aufwiesen. Die Mitarbeiteranzahl variierte pro Amt zwischen 50 bis 800 Beschäftigten.

Das System sollte daher pro Jahr circa 30 Millionen Steuerfälle verwalten können. Die Anzahl der Benutzer wurde auf 100.000 – 120.000 Finanzbeamte festgelegt. Durch die Anbindung von externen Partnern hätte sich diese Zahl allerdings noch deutlich erhöhen können.

Planung und Organisation

Das Projekt bestand aus einer Reihe von Teilprodukten, welche in Form von Modulen auf die einzelnen Länder verteilt wurden. Hierbei sollte jedes Land mindestens ein Modul entwickeln, unter Abstimmung mit den anderen Ländern. Größere Länder sollten mehrere Module entwicklen. Die entstehenden Kosten sollte jedes Land selbst tragen. Der Projektablauf wurde als klassisches Wasserfallmodel geplant: Zunächst solten Grobkonzepte erstellt werden, gefolgt von Feinkonzepten, und der eigentliche Programmierung. Der bundesweite Einsatz sollte jeweils 3 Jahre nach Freigabe erfolgen, mit einer ausgiebigen Testphase in den einzelnen Finanzbehörden.

Die Programmierung sollte dem Stand der Technik entsprechend objektorientiert mit Java auf Basis einer mehrstufigen Client/Server-Architektur erfolgen. Die Architekturmodelle sollten mit der Unified Modeling Language (UML) erstellt werden, Dokumentation und Design mit Rational Rose. Zum Speichern der Daten waren relationale Datenbanksysteme vorgesehen.

Schwerpunkte bei der Entwicklung waren Skalierbarkeit, Sicherheit und die Nutzung offener Standards.

Die Koordination des Projekts übernahm der Bund. Dazu wurde die Koordinierungsstelle für die Neukonzeption des automatisierten Besteuerungsverfahren – kurz KAS – mit ihrem Hauptsitz im Bundesministerium und beim Bundesamt für Finanzen eingerichtet. Die Kosten hierfür trug der Bund.

Am Gesamtprojekt waren zu Beginn circa 120 Programmierer in den Ländern, 30 koordinierende Mitarbeiter in der KAS sowie einige Entscheider aus den einzelnen Bundesländern beteiligt. Dazu kamen zusätzliche externe Berater und andere Entwickler. Das Gesamtbudget wurde zu Beginn auf 170 Millionen Euro festgesetzt.

Problemfaktoren

  • Abstimmungsprobleme: Durch die breit verteilte Projektstruktur ergaben sich Schwierigkeiten im föderalen Abstimmungsprozess.
  • Zu viele Entscheidungsträger: Alle Bundesländer und die Koordinierungsstelle hatten ein Mitspracherecht.
  • Mangelhafte Planung und Dokumentation: Der Bundesfinanzhof verzichtete auf Darstellung der Projektplanung und -durchführung und erwartete lediglich im Jahr 2000 – also erst acht Jahre nach Projektbeginn – einen Ergebnisbericht.

Ergebnis

Im Jahr 2000 wies das Projekt einen erheblichen Entwicklungsrückstand auf. Kein einziges Teilprodukt war zu diesem Zeitpunkt wie geplant fertig gestellt. Für den Abschluss des Projekts zeichnete sich eine erhebliche Budgetüberschreitung an, was ein hohes Abbruchrisiko darstellte. Dieses Zwischenergebnis bewegte schließlich Bayern dazu, aus dem Projekt auszusteigen, um sein eigenes Projekt EOSS2 (Evolutionär orientierte Steuersoftware) weiterzuentwickeln. Der restliche FISCUS-Verbund entschied sich dazu, das Projekt mit einer anderen Organisationsstuktur weiterzuführen. Dazu wurde die FISCUS GmbH gegründet.

Neustart des Projektes mit der FISCUS GmbH

Mit der privatwirtschaftliche FISCUS GmbH sollte ein Neustart des bereits gescheiterten Projekts durch Outsourcing unternommen werden.

Gründung

Die Gründung wurde durch 15 Bundesländer (alle außer Bayern) und dem Bund unter Führung der Gesellschafter beschlossen. Die Finanzierung erfolgte ebenfalls durch die Länder und den Bund. Wesentlicher Gedanke war es, die Software nun zentral zu entwickeln und damit die Organisation und Kommunikation zu erleichtern und eine klare Auftraggeber-Auftragnehmer-Struktur zu schaffen.

Das Personal wurde hauptsächlich auf dem freien Arbeitsmarkt angeworben. Unterstützt wurde es durch zu Programmierern umgeschulte Verwaltungsfachangestellte und Beamte. Außerdem war die Einbeziehung der bis zu diesem Zeitpunkt in Steuerverwaltungen eingesetzten Beschäftigten erforderlich, um das steuerrechtliche Know-how zu erlangen.

Erneute Probleme

  • Know-how-Transfer: Das mühselig in acht Jahren erarbeitete Wissen wurde nur lückenhaft an die GmbH weitergegeben, wodurch das Projekt quasi wieder bei Null startete.
  • Schlecht geschultes Personal: Aufgrund der hohen Kosten wurden zu wenig gutes Fachpersonal eingestellt.
  • Kein Gesamtkonzept: In den einzelnen Ländern wurden jeweils nur Teilkonzepte erarbeitet.
  • Unklares Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis: Alle Länder fungierten als Auftraggeber mit unterschiedlichen Vorstellungen.

Der Bundesrechnungshof empfahl dem Bund, sich ab 2007 nicht weiter an FISCUS zu beteiligen – denn schließlich sei die Steuererhebung Ländersache.

Projektabbruch

Im Jahr 2004 wurde das Projekt FISCUS endgültig abgebrochen, da das Projektbudget hoffnungslos überschritten worden war und sich mit Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt weitere fünf Bundesländer aus dem Verbund lösten.

Bis zum Projektende waren lediglich drei Module fertig gestellt worden: Die Online-Stammdatenabfrage (OSA), das Modul „Grunderwerbssteuer“ (GrESt), welches im Finanzamt in Hilden zum Einsatz kam, und das Modul „Bußgeldverfahren und Strafsachen“ (BuStra), welches in Lübeck eingesetzt wurde. Keines dieser drei Module wurde je bundesweit eingesetzt.

Letztendlich folgte die Liquidation der FISCUS GmbH am 31. 2. 2006.

Dauer und Kosten

Die Projektlaufzeit betrug 12 Jahre, die gesamten Entwicklungskosten werden auf 900 Millionen Euro geschätzt. Ein brauchbares Ergebnis gibt es nicht.

Fazit

Das Projekt FISCUS ist nur eines von vielen öffentlichen IT-Projekten, welches durch die schwierigen Verhältnisse und Einschränkungen, die staatliche Projekte mit sich bringen, kläglich gescheitert ist. Meist sind mangelhaftes Projektmanagement und mangelhafte Projektorganisation sowie die Fehleinschätzung der Komplexität derartiger IT-Projekte die ausschlaggebende Faktoren für den Misserfolg.

Der Bund entschloss sich zwar das Projekt FISCUS zu begraben, doch war er mutig genug einen Nachfolger ins Leben zu rufen: Unter dem Namen KONSENS (Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung) will der Bund die Idee einer bundesweit einheitlichen Besteuerungssoftware doch noch verwirklichen.[1] Dieses System baut jedoch auf bereits in den Bundesländern (speziell in Bayern (EOSS) und Nordrhein-Westfalen) eingesetzte Software auf. Bei KONSENS sollen die fünf größten Bundesländer (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen, Baden-Württemberg) die Software gemeinsam entwickeln und den kleinern Ländern anschließend zur Verfügung stellen. Der Bund trägt bei diesem Projekt keinerlei Verantwortung mehr.

Ob dieses Mammut-Projekt in dieser Konstellation zu bewältigen ist, ist noch zu beweisen. Klar ist jedoch, dass FISCUS nicht nur immense Kosten bereitet hat, sondern auch der Misserfolg weiterhin Kosten verursacht; nicht zuletzt durch die Tatsache eines immer noch fehlenden einheitlichen IT-Systems zur Unterstützung der Finanzämter.

Das Projekt FICUS kann als Präzedenzfall für ein gescheitertes Projekt angesehen werden.

Quellen

  1. http://www.fiscus.info/index_fiscus.html (Homepage der Fiscus GmbH), dieser Server existiert nicht mehr
  2. Die Beteiligung des Landes NRW am Projekt Fiscus
  3. Bericht des Landes Berlin