Klasse (Mengenlehre): Unterschied zwischen den Versionen

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}}
==Ursprüngliche Definition==
Der Begriff '''Klasse''' wurde zu Zeiten, als  [[John von Neumann]], [[Paul Bernays]] und [[Kurt Gödel]] diesem Begriff noch nicht seine heutige Bedeutung gegeben hatten, häufig als Synonym für den Begriff '''{{Menge}}''' verwendet.<ref>siehe beispielsweise {{Quelle|Russell, B. (1903): The Principles of Mathematics}}</ref>


==Anschauliche moderne Definition==
Der Begriff {{Klasse}} wird in der „modernen“ Mathematik als Verallgemeinerung des Begriffes {{Menge}} verwendet.
Eine {{Klasse}} fasst – genauso wie eine Menge – bestimmte unterschiedliche Objekte mittels der '''Element'''-Beziehung zu einer ungeordneten Einheit zusammen.
Allerdings unterscheidet man nun zwei Arten von Klassen:
* '''Mengen'''
* '''Unmengen''' (oder '''echte Klassen''')
Mengen sind „gutartige“ Klassen, in dem Sinne, dass sie selbst Element diverser Klassen sein können.
Es ist auch nicht verboten, dass sich sich eine Menge selbst als Element enthält.
Unmengen sind dagegen so umfangreich, dass sie in überhaupt keiner Klasse als Element vorkommen können.
==Definition in Anlehnung Schmidt<ref name="Schmidt">{{Quelle|Schmidt (1966)}}</ref>==
===Definitionen „mengentheoretische Aussageform“ und „mengentheoretische Aussage“===
Eine [[Prädikatenlogik erster Stufe|prädikatenlogische Aussageform erster Stufe]] heißt '''mengentheoretische Aussageform''', wenn in dieser
Aussageform alle Prädikate die Form $x \in y$ haben. Eine geschlossene Aussageform, d.h. eine Aussageform, in der alle Variablen durch [[Quantor]]en gebunden sind, heißt
'''mengentheoretische Aussage'''.
Die Elementbeziehung $\in$ ist also das einzige Prädikatssymbol in einer mengentheoretische Aussageform.
Alle anderen Symbole entstammen der [[Prädikatenlogik erster Stufe]]: $\top, \bot, \wedge, \vee, \neg, \rightarrow, \leftrightarrow, \bigwedge, \bigvee$ sowie Variablen.
===Definition „Klasse“===
Gegeben seien ein Klassenuniversum $\mathcal K$ und ein zweistelliges Prädikat $\in$.
Eine {{Klasse}}, d.h. ein Mitglied des Klassenuniversums $\mathcal K$
zeichnet sich dadurch aus, dass sie Klassen als Elemente enthalten und Element von Klassen sein kann:
{{Quote|Für je zwei Klassen $x$ und $y$ gilt entweder<br/>
$\quad x$ ist Element von $y$, kurz $x \in y$<br/>
oder<br/>
$\quad x$ ist kein Element von $y$, kurz $\neg(x \in y)$ oder kürzer $x \notin y$.
}}
Die Eigenschaften von {{Klasse}}n werden axiomatisch mit Hilfe von mengentheoretische Aussageformen für ein „Universum“ $\mathcal{K}$ von Klassen festgelegt.
===Weitere Prädikate===
Für das Klassenuniversum gibt es diverse weitere Prädikate. Diese werden allerdings alle
mit Hilfe der Element-Beziehung (als Abkürzungen für spezielle mengentheoretische Aussageformen) definiert.
Eine Klasse $a$, die Element irgendeiner beliebigen Klasse ist, heißt '''Menge''':<br/>
{{Formel|\rm{Mg}(a) \; :\leftrightarrow \; \bigvee k: a \in k}}
Ein Klasse $a$, die kein Element irgendeiner Klasse ist, heißt '''Unmenge''' oder '''echte Klasse''':
{{Formel|\rm{UMg}(a) \; :\leftrightarrow \; \neg\rm{Mg}(a) \;\;(\leftrightarrow\; \neg\bigvee k: a \in k \;\leftrightarrow\; \bigwedge k: a \notin k)}}
Eine Klasse $a$ heißt '''Teilklasse''' einer Klasse $b$, wenn jedes Element von $a$ auch Element von $b$ ist; alternativ
sagt man auch $b$ ist '''Oberklasse''' von $a$:
{{Formel|a \subseteq b \; :\leftrightarrow \; b \supseteq a \; :\leftrightarrow \; \bigwedge k: (k \in a \rightarrow k \in b)}}
Zwei Klassen heißen '''gleich''', wenn sie dieselben Elemente enthalten, anderenfalls heißen sie '''ungleich''':
{{Formel|a {{=}} b \; :\leftrightarrow \; \bigwedge k: (k \in a \leftrightarrow k \in b)}}
{{Formel|a \neq b \; :\leftrightarrow \; \neg(a {{=}} b)}}
Eine Klasse $a$ heißt '''echte Teilklasse''' einer Klasse $b$, falls $a$ Teilklasse von $b$ aber ungleich $b$ ist;
alternativ sagt man auch „$b$ ist '''echte Oberklasse''' von $a$“:
{{Formel|a \subset b \; :\leftrightarrow \; b \supset a \; :\leftrightarrow \;(a \subseteq b \wedge b \neq a)}}
===Klassenkonstruktion===
Wenn $A(m)$ eine mengentheoretische [[Aussageform]] ist, in der die Variable <math>m</math> [[frei]] vorkommen kann,
dann heißt $\{m:A(m)\}$ {{Klasse}} aller [[Element]]e $m$ mit der Eigenschaft $A(m)$.
Hier wurde ein so genanntes Termschema definiert:
Für jede konkrete mengentheoretische Aussageform $A(m)$ ergibt sich ein konkreter Term $\{m:A(m)\}$.
Damit diese Terme in mengentheoretischen Aussagen und Aussageformen verwendet werden können, werden folgende zwei Vereinbarungen getroffen:
{{Formel|a \in \{m:A(m)\} \;:\leftrightarrow\; \rm{Mg}(a) \wedge A(a)}}
{{Formel|\{m:A(m)\} \in a \;:\leftrightarrow\; \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge m: (m \in k \leftrightarrow  \rm{Mg}(m) \wedge A(m)) )}}
Mit Hilfe dieser beiden Definitionen kann jeder Klassenterm $\{m:A(m)\}$ in jeder beliebigen Aussageform „eliminiert“ werden,
indem der Term einfach durch die ihn definierende Aussageform ersetzt wird.
Die freie Variable muss nicht unbedingt $m$ heißen, sondern kann anders benannt werden, solange sich dadurch nicht die Semantik der
Aussageform $A(m)$ ändert. Insbesondere kann $m$ durch jede Variable $x$ ersetzt werden, die nicht als gebundene Variable im $A(m)$ enthalten ist.
Der so geänderte Term beschreibt dieselbe Klasse:
<div class="formula">
$\begin{array}{rclclcl}
  a \in \{m:A(m)\} & \;\leftrightarrow\; & \rm{Mg}(a) \wedge A(a) \\
                    & \;\leftrightarrow\; & a \in \{x:A(x)\}\\
  \{m:A(m)\} \in a & \;\leftrightarrow\; & \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge m: (m \in k \leftrightarrow  \rm{Mg}(m) \wedge A(m)))\\
                    & \;\leftrightarrow\; & \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge x: (x \in k \leftrightarrow  \rm{Mg}(x) \wedge A(x)))\\
                    & \;\leftrightarrow\; & \{x:A(x)\} \in a
\end{array}
$</div>
Allerdings ist nicht jede Umbenennung erlaubt.
Beispielsweise kann in der Aussageform $A(m) = \bigvee x: x \in m$ die freie Variable $m$ nicht durch $x$ ersetzt werden, sich dadurch die Semantik ändert:
<div class="formula">$\{m: \bigvee x: x \in m \}$ ist nicht äquivalent zu $\{x: \bigvee x: x \in x\}$</div>
Wenn $A(m,v_1,\ldots,v_n)$ neben $m$ noch weitere freie Variablen $v_1,\ldots,v_n$ enthält,
ergibt sich für jede konkrete [[Belegung]] $[v_1|a_1,\ldots,v_n|a_n]$ dieser weiteren freien Variablen ein eigener Term $\{m:A(m,v_1|a_1,\ldots,v_n|a_n)\}$,
indem in $A$ jedes freie Vorkommen der Variablen $v_i$ durch den konkreten Wert $a_i$ ersetzt wird.
==Spezielle Klassen Anlehnung Schmidt<ref name="Schmidt"/>==
:{|
|| $\emptyset          $ || $:= \{m: \bot \} = \{m: \rm{UMg}(m)\} = \{m: m \not= m\} $  || ist die '''leere Menge''', d.h. diejenige Klasse, die keine Mengen (und auch keine Unmengen!) enthält.
|-
|| $\mathcal{V}        $ || $:= \{m: \top \} = \{m: \rm{Mg}(m)\} = \{m: m = m\} $        || ist die '''Allklasse''', d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält.
|-
|| $\mathcal{R}        $ || $:= \{m: m\notin m\}$ || ist die '''Russell-Klasse''', d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
|-
|| $a \cup b          $ || $:= \{m: m \in a \vee m \in b\}$ || ist die [[Vereinigung]] zweier Klassen $a$ und $b$
|-
|| $a \cap b          $ || $:= \{m: m \in a \wedge m \in b\}$ || ist der [[Durchschnitt]] zweier Klassen $a$ und $b$
|-
|| $a \setminus b      $ || $:= \{m: m \in a \wedge m \notin b\}$ || ist die [[Differenz]] zweier Klassen $a$ und $b$
|-
|| $\bar a            $ || $:= \{m: m \notin a \} = \mathcal{V} \setminus a$ || ist das [[Komplement]] der Klasse $a$
|-
|| $\{\}              $ || $:= \emptyset$      || ist ein alternativer Name für die '''leere Menge'''
|-
|| $\{a\}              $ || $:= \{m: \rm{Mg}(a) \rightarrow m = a\}$ || ist die einelementige Menge; es gilt $\rm{Mg}(a) \leftrightarrow (m \in \{a\} \leftrightarrow m=a)$ und $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \mathcal{V}$
|-
|| $\{a, b\}          $ || $:= \{a\} \cup \{b\} $ || ist die zweielementige Menge (falls $a \not=b$)
|-
|| $\{a, b, c\}        $ || $:= \{a, b\} \cup \{c\} $ || ist die dreielementige Menge (falls $a$, $b$, $c$ paarweise verschieden sind)
|-
|| $\vdots            $ ||
|-
|}
====Alternative Definition der einelementigen Menge====
Alternativ könnte man auch $\{a\} := \{x: x = a\}$ festsetzen. Für Mengen ergäbe sich daraus kein Unterschied zur obigen Definition. Für
Unmengen würde dagegen $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \emptyset$ an Stelle von $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \mathcal V$ gelten. In den meisten Fällen ist es praktischer, Unmengen auf die Unmenge
$\mathcal{V}$ und nicht auf die leere Mengen $\emptyset$ abzubilden, da man normalerweise weniger Fallunterscheidungen treffen muss.
Beispielsweise gilt im ersten Fall $\{\{\mathcal R\}\} = \mathcal V$, im zweiten Fall dagegen $\{\{\mathcal R\}\} = \{\emptyset\}$.
Das heißt, bei der Alternativdefinition würde man dem Ergebnis nicht mehr ansehen, dass ursprünglich versucht wurde, eine Unmenge als Element
in eine Menge zu stecken. Allerdings bietet auch die Alternativdefinition Vorteile. Zum Beispiel ist $\{a\}$ im Falle der Alternativdefinition stets eine Menge.
Anthony Morse löst diese Problem, indem er in seiner Mengenlehre die „einelementige“ Klasse für jede Klasse $a$ auf beide Arten definiert: $\rm{sngl}\,a$ ist bei ihm die zugehörige „einelementige“ Klasse mit $\rm{sngl}\,a = \mathcal V$ im Falle von Unmengen $a$ und $\rm{sng}\,a$ ist die „einelementige“ Menge mit $\rm{sng}\,a = \emptyset$ im Falle von Unmengen $a$. Für
Mengen $a$ stimmen diese beiden Definitionen überein und enthalten jeweils auch nur ein Element, nämlich $a$.
Darüber hinaus definiert Morse $\{x\} := \rm{sngl}\,x$. Das heißt, er definiert $\{a\}$
genauso wie Schmidt.<ref name="Morse">{{Quelle|Morse (1965)}}, 2.45, 2.5.5.0</ref>
==Verzicht auf Urelemente==
In der klassenbasierten Mengenlehre wird heutzutage ebenso wie in der „reinen“ Mengenlehre
auf die Definition von „[[Urelement]]en“ verzichtet. Die ''leere Menge'' reicht als Urelement aus.
Wenn man irgendwelche realen oder abstrakten Objekte in Klassen zusammenfassen will, so muss man zunächst die
diese Objekte mit bestimmten Klassen identifizieren. Man muss also für jedes Objekt eine Klasse definieren, die diese Objekt repräsentiert.
[[John von Neumann]] hat beispielsweise vorgeschlagen, die Ordinalzahlen – und damit als Spezialfall die natürlichen Zahlen –
so zu definieren, dass jede [[Ordinalzahl]]
(Neuman spricht von „Ordnungszahl“) alle ihre Vorgänger als Elemente enthält<ref>{{Quelle|Neumann (1923)}}</ref>:
<div class="formula">$0 := \{\}$</div>
<div class="formula">$1 := 0 \cup \{0\} = \{\{\}\}$</div>
<div class="formula">$2 := 1 \cup \{1\} = \{0, 1\} = \{\{\}, \{\{\}\}\}$</div>
<div class="formula">$3 := 2 \cup \{2\} = \{0, 1, 2\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}\}$</div>
<div class="formula">$\vdots$</div>
<div class="formula">$\omega = \{0, 1, 2, \ldots\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots\}$</div>
<div class="formula">$\omega+1 = \omega \cup \{\omega\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots, \{ \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots\}\}\}$</div>
<div class="formula">$\vdots$</div>
Anschließend kann man auch beliebige Ordinalzahlen in Klassen zusammenfassen.
Genaugenommen werden allerdings keine Ordinalahlen, sondern deren Stellvertreter zu Klassen zusammengefasst:
<div class="formula">$\{0,2\}= \{\{\},\{\{\{\}\},\{\}\}\}$</div>
<div class="formula">etc.</div>
Die Definition von Neumann hat sich als besonders nützlich erwiesen, gerade weil sie nicht nur auf natürliche Zahlen beschränkt ist.
Aber es gibt selbstverständlich noch zahlreiche andere Möglichkeiten, natürliche Zahlen oder Ordinalzahlen durch Klassen zu repräsentieren.
Beispiel für eine Alternativ-Definition der natürlichen Zahlen:
<div class="formula">$0 := \{\}$</div>
<div class="formula">$1 := \{\{\}\}$</div>
<div class="formula">$2 := \{\{\{\}\}\}$</div>
<div class="formula">$3 := \{\{\{\{\}\}\}\}$</div>
<div class="formula">$\vdots$</div>
<div class="formula">$n+1 := \{n\}$</div>
=====Vor- und Nachteile des Verzichts auf Urelemente=====
Der gravierende Vorteil, den der Verzicht auf Urelemente bietet, ist, dass man sich in Beweisen viele Fallunterscheidungen
der Art „Wenn $x$ ein Urelement ist ..., anderenfalls ...“ spart.
Ein Nachteil ist, dass Mengenoperationen aus Mengen, die keine Urelemente repräsentieren, zufällig Mengen erzeugen können,
die Urelemente repräsentieren, obwohl dies im aktuellen Kontext evtl. gar nicht von Bedeutung ist.
Ein weiterer Nachteil könnte sein, dass Mengen, die Urelemente repräsentieren, zusätzliche Eigenschaften haben, die
die eigentlichen Urelemente gar nicht haben. Beispielsweise gelten für Ordinalzahlen, die auf die von-neumannsche Art
definiert werden, ungewöhnliche Zusatzbeziehungen:
<div class="formula">$\bigwedge m,n \in \Omega: m<n \leftrightarrow m \in n$</div>
<div class="formula">$4 \cap 2 = 2$ oder allgemeiner $\bigwedge m,n \in \Omega: m \cap n = \rm{min}(m,n)$</div>
<div class="formula">etc.</div>
Für die Ordinalzahlen selbst gelten diese Beziegunhen dagegen nicht, da die Element-Beziehung, der Mengendurchschnitt etc. gar nicht definiert sind.
Und wenn man natürliche oder Ordinalzahlen durch andere Mengen repräsentiert,
ergeben sich andere Gesetzmässigkeiten. Wenn beispielsweise die obige Alternativ-Definition
verwendet wird, dann gilt:
<div class="formula">$4 \cap 2 = 0$ oder allgemeiner $\bigwedge m,n \in \mathbb{N}:m \cap n = \{\}$</div>
Die zusätzlichen Mengeneigenschaften, die Von-Neumann-Ordinalzahlen haben, haben sich allerdings
nicht als Nachteil, sondern als Vorteil erwiesen, da damit viele Beweise über die
Ordinalzahlen mit mengentheoretischen Hilfsmitteln beweisen lassen.
=====Unterschied zwischen Mathematik und Informatik=====
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mathematik und Informatik ist die Behandlung von [[Urelement]]en:
In der Mathematik wird heute – wie zuvor beschriben wurde– i.Allg. auf Urelemente ganz verzichtet.
Stattdessen werden bestimmte Mengen (oder Klassen) als Repräsentanten für die
benötigten Urelemente verwendet.
In der Informatik sind Urelemente dagegen von zentraler Bedeutung. Diese werden i. Allg. [[Wert]]e oder [[Atom]]e genannt. Beispiele:
* Boolesche Werte
* Numerische Werte
* Zeichenketten
* etc.
===Axiomatisierung===
Dass auf die zuvor beschriebene Art Weise tatsächlich Klassen gebildet werden können
und welche dieser Klassen Mengen sind, wird [[Axiom|axiomatisch]] festgelegt.
====Komprehensionsaxiome====
Es sei $A(k)$ eine mengentheoretische [[Aussageform]] in der $k$ eventuell als freie Variable vorkommt.
Die [[Komprehensionsaxiom]]e – es gibt [[abzählbar]] viele davon, da für es jede der Aussageformen $A(k)$ ein eigenes Axiom gibt – sagen aus,
unter welchen Umständen die Klasse $\{k: k \in A(k)\}$ existiert, also unter welchen Umständen die
Objekte $k$ zu einer Klasse zusammengefasst werden können (Komprehension = Zusammenfassung).
=====Naive Komprehensionsaxiome=====
[[Gottlob Frege]] hat in seinen „Grundgesetzen der Arithmetik“<ref>{{Quelle|Frege (1893)}}</ref> die uneingeschränkte Mengenbildung bzw.
Klassenbildung zugelassen. (Zu dieser Zeit wurden die Begriffe „Menge“ und „Klasse“ noch als Synonyme verwendet.)
Die „naiven“ Komprehensionsaxiome lauten daher folgendermaßen:
<div class="formula">Für jede mengentheoretische Aussageform $A(k)$ gilt:  $\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow A(k))$</div>
Diese Axiome führen jedoch sofort zur [[Russellsche Antinomie|Russellschen Antinomie]], indem man $A(k) := k \not\in k$ setzt.
Das zugehörige Komprehensionsaxiom lautet:
<div class="formula">$\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow k \notin k)$</div>
Es sei $\mathcal R$ eine derartige Klasse $K$, dann gilt für jede Klasse $k$:
<div class="formula">$k \in \mathcal R \leftrightarrow k \notin k$</div>
Insbesondere gilt dies für die Klasse $\mathcal R$. Dies führt aber zu einem logischen Widerspruch:
<div class="formula">$\mathcal R \in \mathcal R \leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R$</div>
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Komprehension so zu beschänken, dass die Russellsche Antinomie nicht mehr direkt aus
diesem Axiom abgeleitet werden kann. (Ob sie mit Hilfe weiterer Axiome der Mengenlehre abgeleitet werden kann, ist dagegen unbekannt.
Falls dies nicht der Fall sein sollte – wovon man heute ausgeht –, kann dies jedoch nicht bewiesen werden. Dies ist eine der Schlussfolgerungen, die man aus
dem zweiten [[Unvollständigkeitssatz]] von [[Kurt Gödel]]<ref name="Gödel">{{Quelle|Gödel, K. (1931): Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I}}</ref> ziehen kann.)
=====Klassen-Komprehensionsaxiome=====
In der [[Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre]] werden folgende Komprehensionsaxiome eingesetzt, bei der darauf geachtet wird, dass nur Mengen (aber keine Unmengen) in Klassen zusammengefasst werden:
<div class="formula">Für jede mengentheoretische Aussageform $A(k)$ gilt:  $\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow \rm{Mg}(k) \wedge A(k))$</div>
Hier gilt für eine zur Aussageform $k \notin k$ gehörige Klasse $\mathcal R$:
<div class="formula">$\mathcal R \in \mathcal R \leftrightarrow \rm{Mg}(\mathcal R) \wedge \mathcal R \notin \mathcal R$</div>
Und daraus folgt $\neg\rm{Mg}(\mathcal R)$, d.h. $\mathcal R$ ist eine Unmenge, da anderenfalls eine Widerspruch auftreten würde.
Es gibt also (mindestens) eine Russell-Klasse $\mathcal R$, die aber keine Menge, sondern eine Unmenge ist.
Die Unterscheidung zwischen [[Menge]]n und [[Unmenge]]n stellt somit eine Möglichkeit dar, das Problem der [[Russellsche Antinomie|Russellschen Antinomie]] zu vermeiden:
Auch die Allklasse ist eine echte Klasse. Dies kann aber erst mit Hilfe weiterer Axiome gezeigt werden.
==Einfache Lemmata==
===Gleichheit von Klasse===
Die Gleichheitsbeziehung ist eine [[Äquivalenzrelation]]:
{{Formel|\bigwedge a: a {{=}} a}}
{{Formel|\bigwedge a, b: a {{=}} a \leftrightarrow b {{=}} a}}
{{Formel|\bigwedge a,b,c : a{{=}}b \wedge b{{=}}c \rightarrow a{{=}}c}}
Der [[Satz von Löwenheim/Skolem]] für die [[Prädikatenlogik erster Stufe]] besagt, dass jede [[Erfüllbarkeit|erfüllbare Menge]] von prädikatenlogischen Aussagen ein abzählbares Modell hat.
Daraus folgt insbesondere, dass  es ohne Auszeichnung der Gleichheit unmöglich ist, Mengen einer festen endlichen Kardinalität oder endliche Mengen zu charakterisieren.<ref>{{Quelle|Güntzer, Schmidt, Kempf, Möller (1989)}}, S. 3.4-18</ref>
Um dieses „Problem“ zu vermeiden, müsste man [[Prädikatenlogik erster Stufe mit Gleichheit]] zur Definition mengentheoretischer Aussagen verwenden.
Das heißt, neben dem Prädikat „$\in$“ gäbe es noch das Gleichheitsprädikat „$=$“, dessen Bedeutung prädikatenlogisch und nicht mengentheoretisch definiert werden würde.
Einen großen Vorteil würde man damit aber nicht erzielen. So oder so gibt es beliebig viele Darstellungen einer endlichen Menge, wie z.B.
{{Formel| \{1,5\} {{=}} \{5,1\} {{=}} \{1,1,5\} {{=}} \{1,5,1,5\} {{=}} \{1,5,1,1,1,5\} {{=}} \ldots | (Darstellungen einer zweielementigen Menge)}}
Ohne die Sonderbehandlung der Gleichheit spiegelt sich dies auch in den möglichen Modellen wieder, da es Modelle geben kann, in denen eine
Menge (oder Klasse) nicht nur durch ein Objekt, sondern durch diverse äquivalente Objekte repräsentiert wird.
Beispielsweise könnte die zweielementige Menge $\{1,5\}$ im Modell durch eine Vielzahl von [[Zeichenkette]]n repräsentiert werden (vgl. [[Herbrandinterpretation]]):
<div class="formula"><code>{1,5}</code>, <code>{5,1}</code>, <code>{1,1,5}</code>, <code>{1,5,1,5}</code>, <code>{1,5,1,1,1,5}</code> etc.</div>
Ob durch die Sonderbehandlung der Gleichheit die Anzahl der möglichen Modelle etwas eingeschränkt wird oder nicht, ist
angesichts der Tatsache, dass man sowieso mit zahlreichen Darstellungen einer Menge (oder Klasse) konfrontiert wird nicht wirklich von Bedeutung.
Viel wichtiger wäre die Beantwortung der Frage, ob es überhaupt ein Modell gibt. Aber diese Frage lässt sich – als eine weitere Schlussfolgerung aus dem zweiten [[Unvollständigkeitssatz]] von [[Kurt Gödel]]<ref name="Gödel" /> – nicht beantworten.
===Die leere Menge===
Die leere Menge erfüllt die Bedingung $\bigwedge x: x \notin \emptyset$.
Es gibt nur eine ''leere Menge''. Gäbe es eine zweite, so würde sie dieselben
Elemente beinhalten wie die erste (nämlich keine) und wäre damit zur ersten gleich.
===Alternative Definition der Begriffe „Menge“ und „Unmenge“ ===
Ein Klasse $k$ ist eine '''Menge''', wenn sie Element der Allklasse ist:
<div class="formula">$\mbox{Mg}(k) \leftrightarrow k \in \mathcal{V}$</div>
Eine Klasse $k$ ist eine '''Unmenge''' oder '''echte Klasse''', wenn sie kein Element der Allklasse ist:
<div class="formula">$\rm{UMg}(k) \leftrightarrow k \notin \mathcal{V}$</div>
==Quellen==
<references/>
==Siehe auch==
#{{SieheAuch|Felscher (1978)}}
#{{SieheAuch|Ebbinghaus (2003)}}
#[[Wikipedia:Klasse (Mengenlehre)]]
#[[Wikipedia:Ackermann-Mengenlehre]]
[[Kategorie:Mengenlehre]]

Version vom 14. April 2019, 16:04 Uhr

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