Klasse (Mengenlehre)

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Ursprüngliche Definition

Der Begriff Klasse wurde zu Zeiten, als John von Neumann, Paul Bernays und Kurt Gödel diesem Begriff noch nicht seine heutige Bedeutung gegeben hatten, häufig als Synonym für den Begriff Menge verwendet.[1]

Anschauliche moderne Definition

Der Begriff Klasse wird in der „modernen“ Mathematik als Verallgemeinerung des Begriffes Menge verwendet.

Eine Klasse fasst – genauso wie eine Menge – bestimmte unterschiedliche Objekte mittels der Element-Beziehung zu einer ungeordneten Einheit zusammen.

Allerdings unterscheidet man nun zwei Arten von Klassen:

  • Mengen
  • Unmengen (oder echte Klassen)

Mengen sind „gutartige“ Klassen, in dem Sinne, dass sie selbst Element diverser Klassen sein können. Es ist auch nicht verboten, dass sich sich eine Menge selbst als Element enthält. Unmengen sind dagegen so umfangreich, dass sie in überhaupt keiner Klasse als Element vorkommen können.

Definition in Anlehnung Schmidt[2]

Definitionen „mengentheoretische Aussageform“ und „mengentheoretische Aussage“

Eine prädikatenlogische Aussageform erster Stufe heißt mengentheoretische Aussageform, wenn in dieser Aussageform alle Prädikate die Form $x \in y$ haben. Eine geschlossene Aussageform, d.h. eine Aussageform, in der alle Variablen durch Quantoren gebunden sind, heißt mengentheoretische Aussage.

Die Elementbeziehung $\in$ ist also das einzige Prädikatssymbol in einer mengentheoretische Aussageform. Alle anderen Symbole entstammen der Prädikatenlogik erstere Stufe: $\vee, \wedge, \neg, \rightarrow, \leftrightarrow, \forall, \exists$ sowie Variablen.

Definition „Klasse“

Gegeben seien ein Klassenuniversum $\mathcal K$ und ein zweistelliges Prädikat $\in$.

Eine Klasse, d.h. ein Mitglied des Klassenuniversums $\mathcal K$ zeichnet sich dadurch aus, dass sie Klassen als Elemente enthalten und Element von Klassen sein kann:

Für je zwei Klassen $x$ und $y$ gilt entweder
$\quad x$ ist Element von $y$, kurz $x \in y$
oder
$\quad x$ ist kein Element von $y$, kurz $\neg(x \in y)$ oder kürzer $x \notin y$.

Die Eigenschaften von Klassen werden axiomatisch mit Hilfe von mengentheoretische Aussageformen für ein „Universum“ $\mathcal{K}$ von Klassen festgelegt.

Weitere Prädikate

Für das Klassenuniversum gibt es diverse weitere Prädikate. Diese werden allerdings alle mit Hilfe der Element-Beziehung (als Abkürzungen für spezielle mengentheoretische Aussageformen) definiert.

Eine Klasse $a$, die Element irgendeiner beliebigen Klasse ist, heißt Menge:

$\rm{Mg}(a) \; :\leftrightarrow \; \exists k: a \in k$

Ein Klasse $a$, die kein Element irgendeiner Klasse ist, heißt Unmenge oder echte Klasse:

$\rm{UMg}(a) \; :\leftrightarrow \; \neg\rm{Mg}(a) \;\;(\leftrightarrow\; \neg\exists k: a \in k \;\leftrightarrow\; \forall k: a \notin k)$

Eine Klasse $a$ heißt Teilklasse einer Klasse $b$, wenn jedes Element von $a$ auch Element von $b$ ist; alternativ sagt man auch $b$ ist Oberklasse von $a$:

$a \subseteq b \; :\leftrightarrow \; b \supseteq a \; :\leftrightarrow \; \forall k: (k \in a \rightarrow k \in b)$

Zwei Klassen heißen gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten, anderenfalls heißen sie ungleich:

$a = b \; :\leftrightarrow \; \forall k: (k \in a \leftrightarrow k \in b)$
$a \neq b \; :\leftrightarrow \; \neg(a = b)$

Eine Klasse $a$ heißt echte Teilklasse einer Klasse $b$, falls $a$ Teilklasse von $b$ aber ungleich $b$ ist; alternativ sagt man auch „$b$ ist echte Oberklasse von $a$“:

$a \subset b \; :\leftrightarrow \; b \supset a \; :\leftrightarrow \;(a \subseteq b \wedge b \neq a)$

Klassenkonstruktion

Wenn $A(m)$ eine mengentheoretische Aussageform ist, in der die Variable $ m $ und evtl. weitere Variablen frei vorkommen können, dann heißt $\{m|A(m)\}$ Klasse aller Elemente $m$ mit der Eigenschaft $A(m)$.

Hier wurde ein so genanntes Termschema definiert: Für jede konkrete mengentheoretische Aussageform $A(m)$ ergibt sich ein konkreter Term $\{m|A(m)\}$.

Damit diese Terme in mengentheoretischen Aussagen und Aussageformen verwendet werden können, werden folgende zwei Vereinbarungen getroffen:

$a \in \{m:A(m)\} \;:\leftrightarrow\; \rm{Mg}(a) \wedge A(a)$
$\{m:A(m)\} \in a \;:\leftrightarrow\; \exists k: ( k \in a \,\wedge\, \forall m: (m \in k \leftrightarrow \rm{Mg}(m) \wedge A(m)) )$

Mit Hilfe dieser beiden Definitionen kann jeder Klassenterm $\{m|A(m)\}$ in jeder beliebigen Aussageform „eliminiert“ werden, indem der Term einfach durch die ihn definierende Aussageform ersetzt wird.

Spezielle Klassen

$\emptyset $ $:= \{x:x\neq x\}$ ist die leere Menge, d.h. diejenige Klasse, die keine Mengen enthält.
$\mathcal{V} $ $:= \{x:x=x\}$ ist die Allklasse, d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält.
$\mathcal{R} $ $:= \{x:x\notin x\}$ ist die Russell-Klasse, d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
$a \cup b $ $:= \{x: x \in a \vee x \in b\}$ ist die Vereinigung zweier Klassen $a$ und $b$
$a \cap b $ $:= \{x: x \in a \wedge x \in b\}$ ist der Durchschnitt zweier Klassen $a$ und $b$
$a \setminus b $ $:= \{x: x \in a \wedge x \notin b\}$ ist die Differenz zweier Klassen $a$ und $b$
$\bar a $ $:= \{x: x \notin a \} = \mathcal{V} \setminus a$ ist das Komplement der Klasse $a$
$\{\} $ $:= \emptyset$ ist ein alternativer Name für die leere Menge
$\{a\} $ $:= \{x:\rm{Mg}(x) \rightarrow x = a\}$ ist die einelementige Menge; es gilt allerdings $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \mathcal{V}$
$\{a, b\} $ $:= \{a\} \cup \{b\} $ ist die zweielementige Menge (falls $a \not=b$)
$\{a, b, c\} $ $:= \{a. b\} \cup \{c\} $ ist die dreielementige Menge (falls $a$, $b$, $c$ paarweise verschieden)
$\vdots $

Anmerkung

Alternativ könnte man auch $\{a\} := \{x: x = a\}$ festsetzen. Für Mengen ergäbe sich daraus kein Unterschied zur obigen Definition. Für Unmengen würde dagegen $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \emptyset$ gelten. In den meisten Fällen ist es praktischer, Unmengen auf die Unmenge $\mathcal{V}$ und nicht auf die leere Mengen $\emptyset$ abzubilden, da man normalerweise weniger Fallunterscheidungen treffen muss. Beispielsweise gilt im ersten Fall $\{\{\mathcal R\}\} = \mathcal V$, im zweiten Fall dagegen $\{\{\mathcal R\}\} = \{\emptyset\}$. Das heißt, bei der Alternativdefinition würde man dem Ergebnis nicht mehr ansehen, dass ursprünglich versucht wurde, eine Unmenge als Element in eine Menge zu stecken.

Axiomensysteme

Dass auf die zuvor beschriebene Weise tatsächlich Klassen gebildet werden können und welche dieser Klassen Mengen sind, wird axiomatisch festgelegt.

Insbesondere muss axiomatisch sichergestellt werden, dass es sich bei der leeren Menge wirklich um eine Menge und nicht um eine Unmenge handelt. Ansonsten hätte man Schwierigkeiten, überhaupt irgendwelche Mengen zu definieren.

Anmerkungen

In der klassenbasierten Mengenlehre wird heutzutage ebenso wie in der „reinen“ Mengenlehre auf die Definition von „Urelementen“ verzichtet. Die leere Menge reicht als Urelement aus. Wenn man irgendwelche realen oder abstrakten Objekte in Klassen zusammenfassen will, so muss man zunächst die diese Objekte mit bestimmten Klassen identifizieren. Man muss also für jedes Objekt eine Klasse definieren, die diese Objekt repräsentiert.

Beispiel[3]:

$0 := \{\}$
$1 := 0 \cup \{0\} = \{\{\}\}$
$2 := 1 \cup \{1\} = \{0, 1\} = \{\{\}, \{\{\}\}\}$
$3 := 2 \cup \{2\} = \{0, 1, 2\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}\}$
$\vdots$

Abschließend kann man auch beliebige natürliche Zahlen in Klassen zusammenfassen. Genaugenommen werden allerdings keine natürlichen Zahlen, sondern deren Stellvertreter zu Klassen zusammengefasst:

$\{0,2\}= \{\{\},\{\{\{\}\},\{\}\}\}$
$\vdots$

Man beachte, dass die Repräsentanten der natürlichen Zahlen so definiert wurden, dass sie genau alle ihre Vorgänger als Elemente enthalten. Dies hat sich als besonders nützlich erwiesen. Aber es gibt selbstverständlich noch zahlreiche andere Möglichkeiten, natürliche Zahlen durch Klassen zu repräsentieren.

Beispiel für eine Alternativ-Definition der natürlichen Zahlen:

$0 := \{\}$
$1 := \{\{\}\}$
$2 := \{\{\{\}\}\}$
$3 := \{\{\{\{\}\}\}\}$
$\vdots$

Einfache Lemmata

Gleichheit von Klasse

Die Gleichheitsbeziehung ist eine Äquivalenzrelation:

$\forall a: a = a$
$\forall a, b: a = a \leftrightarrow b = a$
$\forall a,b,c : a=b \wedge b=c \rightarrow a=c$

Der Satz von Löwenheim/Skolem für die Prädikatenlogik erster Stufe besagt, dass jede erfüllbare Menge von prädikatenlogischen Aussagen ein abzählbares Modell hat. Daraus folgt insbesondere, dass es ohne Auszeichnung der Gleichheit unmöglich ist, Mengen einer festen endlichen Kardinalität oder endliche Mengen zu charakterisieren.[4]

Um dieses „Problem“ zu vermeiden, müsste man Prädikatenlogik erster Stufe mit Gleichheit zur Definition mengentheoretischer Aussagen verwenden. Das heißt, neben dem Prädikat „$\in$“ gäbe es noch das Gleichheitsprädikat „$=$“, dessen Bedeutung prädikatenlogisch und nicht mengentheoretisch definiert werden würde.

Einen großen Vorteil würde man damit aber nicht erzielen. So oder so gibt es beliebig viele Darstellungen einer endlichen Menge, wie z.B.

$ \{1,5\} = \{5,1\} = \{1,1,5\} = \{1,5,1,5\} = \{1,5,1,1,1,5\} = \ldots $ (Darstellungen einer zweielementigen Menge)

Ohne die Sonderbehandlung der Gleichheit spiegelt sich dies auch in den möglichen Modellen wieder, da es Modelle geben kann, in denen eine Menge (oder Klasse) nicht nur durch ein Objekt, sondern durch diverse äquivalente Objekten repräsentiert wird. Beispielsweise könnte die zweielementige Menge $\{1,5\}$ im Modell durch eine Vielzahl von Zeichenketten repräsentiert werden (vgl. Herbrandinterpretation):

{1,5}, {5,1}, {1,1,5}, {1,5,1,5}, {1,5,1,1,1,5} etc.

Ob durch die Sonderbehandlung der Gleichheit die Anzahl der möglichen Modelle etwas eingeschränkt wird oder nicht, ist – angesichts der Tatsache, dass man sowieso mit zahlreichen Darstellungen einer Menge (oder Klasse) konfrontiert wird – nicht wirklich von Bedeutung.

Viel wichtiger ist die Beantwortung der Frage, ob es überhaupt ein Modell gibt. Und diese Frage lässt sich, wie Gödels mit seinem Unvollständigkeitssatz[5][6] nachgewiesen hat, nicht beantworten.

Die leere Menge

Die leere Menge erfüllt die Bedingung $\forall x: x \notin \emptyset$.

Es gibt nur eine leere Menge. Gäbe es eine zweite, so würde sie dieselben Elemente beinhalten wie die erste (nämlich keine) und wäre damit zur ersten gleich.

Alternative Definition der Begriffe „Menge“ und „Unmenge“

Ein Klasse $k$ ist eine Menge, wenn sie Element der Allklasse ist:

$\mbox{Mg}(k) \leftrightarrow k \in \mathcal{V}$

Eine Klasse $k$ ist eine Unmenge oder echte Klasse, wenn sie kein Element der Allklasse ist:

$\rm{UMg}(k) \leftrightarrow k \notin \mathcal{V}$

Beispiel für eine echte Klasse

Die Unterscheidung zwischen Mengen und Unmengen stellt eine Möglichkeit dar, das Problem der Russellschen Antinomie zu vermeiden:

Die Russell-Klasse ist eine echte Klasse, denn sonst wäre $ \mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R\notin \mathcal R $.

Auch die Allklasse ist eine echte Klasse. Dies kann aber erst mit Hilfe weiterer Axiome gezeigt werden.

Quelle

  1. siehe beispielsweise Russell (1903): Bertrand Russell; The Principles of Mathematics; Auflage: 2; Verlag: W. W. Norton & Company; Adresse: Berlin; Web-Link; 1903; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. Schmidt (1966): Jürgen Schmidt; Mengenlehre – Grundbegriffe; Reihe: B.I.Hochschultaschenbücher; Band: 1; Nummer: 56; Verlag: Bibliographisches Institut AG; Adresse: Mannheim; ISBN: B0000BUJC6; 1966; Quellengüte: 5 (Buch)
  3. Quelle fehlt
  4. Güntzer, Schmidt, Kempf, Möller (1989): Ulrich Güntzer, Gunther Schmidt, Michael Kempf und Bernhard Möller; Mathematische Logik; Band: TUM-I-8900; Hochschule: Technische Universität München; 1989; Quellengüte: 4 (Skript), S. 3.4-18
  5. Gödel (1931): Kurt Gödel; Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I; in: Monatshefte für Mathematik und Physik; Band: 38; Nummer: 1; Seite(n): 173-198; Verlag: Springer-Verlag GmbH; Adresse: Wien; Web-Link; 1931; Quellengüte: 5 (Artikel)
  6. Schwichtenberg (2009): Helmut Schwichtenberg; Mathematical Logic; Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität; Adresse: München; Web-Link; 2009; Quellengüte: 5 (Skript)

Siehe auch

  1. Felscher (1978): W. Felscher; Naive Mengen und abstrakte Zahlen; Band: 1; Verlag: BI-Wissenschaftsverlag; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-411-01538-1; 1978; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. Ebbinghaus (2003): Heinz-Dieter Ebbinghaus; Einführung in die Mengenlehre; Reihe: Hochschultaschenbuch; Auflage: 4; Verlag: Spektrum Akademischer Verlag; Adresse: Heidelberg, Berlin; ISBN: 3-8274-1411-3; 2003; Quellengüte: 5 (Buch)

Siehe auch