Metasprache

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Definitionen (Duden – Das Fremdwörterbuch (2001))[1]

Metasprache: (Sprachw., Informatik, Math.) wissenschaftliche, terminologische Beschreibung der natürlichen Sprache; Sprache od. Symbolssystem, das dazu dient, Sprache od. ein Symbolsystem zu beschreiben od. zu analysieren; vgl. Metametasprache

Metametasprache: Sprache, in der eine Metasprache (als Objektsprache) beschrieben wird

Objektsprache: (Sprachw.) Sprache als Gegenstand der Betrachtung, die mit der Metasprache beschrieben wird

Definition (Brockhaus (1991 MAG-MOD)|Brockhaus (1991, MAG-MOD) und (1991, NOS-PER))[2][3]

Metasprache, Sprache oder Symbolsystem zur wiss. Beschreibung einer Sprache oder eines Symbolsystems, z. B. eine formalisierte Sprache, in der die Beschreibung einer natürl. Sprache vorgenommen wird. Eine M[etasprache] kann ihrerseits wieder Objektsprache einer M[etasprache] [, der so genannten Metametasprache (Anm. von Kowarschick),] werden.

Objektsprache, Sprachwissenschaft:

  1. natürl. Sprache, mit der auf einen außersprachl. Sachverhalt Bezug genommen wird;
  2. Sprache (natürl. Sprache, Fremdsprache, formalisierte Sprache), die in einer Metasprache beschrieben wird.

Definition (Gellert, Kästner, Neuber (1979))[4]

Metasprache: Sprache, in der über Aussagen einer anderen Sprache, der Objektsprache, gesprochen wird.

Definition (Kowarschick, analog zu Gellert, Kästner, Neuber (1979))

Metametasprache: Sprache, in der über Aussagen einer Metasprache gesprochen wird.

Metametametasprache: Sprache, in der über Aussagen einer Metametasprache gesprochen wird.

Et cetera.

Anmerkungen und Beispiele

Laut Brockhaus (1988, EX-FRT), Stichwort „Frege“[5] war es Gottlob Frege, der in seiner Schrift „Über Sinn und Bedeutung“[6] erstmals scharf zwischen Objekt- und Metasprache trennte. Frege führt in dieser Schrift aus, dass man in einer Sprache über die Sprache sprechen kann:

Wenn man in der gewöhnlichen Weise Worte gebraucht, so ist das, wovon man sprechen will, deren Bedeutung. Es kann aber auch vorkommen, daß man von den Worten selbst oder von ihrem Sinne reden will. Jenes geschieht z.B., wenn man die Worte eines anderen in gerader Rede anführt. Die eigenen Worte bedeuten dann zunächst die Worte des anderen, und erst diese haben die gewöhnliche Bedeutung. Wir haben dann Zeichen von Zeichen. In der Schrift schließt man in diesem Falle die Wortbilder in Anführungszeichen ein. Es darf also ein in Anführungszeichen stehendes Wortbild nicht in der gewöhnlichen Bedeutung genommen werden.

Man kann also in einer Sprache reden oder über eine Sprache. Amerikanischen Germanisten reden in englisch (Metasprache) über Deutsch (Objektsprache), Deutsche Germanisten reden in deutsch (Metasprache) über Deutsch (Objektsprache). Üblichereweise werden in so einem Fall die Wörter der Objektsprache, wie von Frege angemerkt, in Anführungszeichen eingeschlossen:

The German sentence „Hans trinkt Tee“ consists of a subject, a predicate and an object.
Der deutsche Satz „Hans trinkt Tee“ besteht aus einem Subjekt, einem Prädikat und einem Objekt.

Allerdings kann die Vermischung von Sprachschichten mittels Selbstreferenz zu Paradoxien führen:

Diser Saz enthält drei Fehler.

Wer das geschrieben hat, kann nicht fehlerfrei schreiben, obendrein auch nicht zählen. Oh, das ist dann der 3. Fehler. Dann enthält der Satz doch nur Rechtschreibe- und keine Zählfehler, also nur zwei Fehler, also doch einen Zählfehler, usw.[7][8]

Das Problem entsteht dadurch, dass der Satz „lediglich“ zwei syntaktische Fehler enthält (Syntax: Objektebene). Das Zählen der Fehler findet dagegen auf der semantischen Ebene statt (Semantik: Metaebene).

Weitere Beispiele:

Antworten Sie auf diese Frage mit einer Verneinung?
Befolgen Sie diese Anweisung nicht!
Dies ist kein englischer Satz.

Die selbstreferentielle Frage kann nicht korrekt (mit „Ja“ oder „Nein“ oder Ähnlichem) beantwortet werden, die selbstreferentielle Anweisung kann nicht korrekt befolgt werden. Der dritte Satz kann nicht problemlos in Englisch übersetzt werden, ohne seinen Wahrheitsgehalt zu ändern:

This is not an English sentence.

Auch in diesen Sätzen findet eine Vermischung der Sprachebenen statt.

Dieses Problem wurde schon von Girolamo Savonarola im Jahr 1542 beschrieben: Unter dem Titel „Insolubile propositum, nec est concedendum nec negandum“ („Unlösbare Aussage, weder kann ihr beigepflichtet werden, noch kann sie verneint werden") behandelt er Aussagen, die sich selbst zerstören:[9]

Insolubile est proposition seipsas destruens. (Unlösbar ist eine Aussage, die sich selbst zerstört.)

Als Beispiel führt Savonarola dann folgenden Satz an:

..., hoc est falsum, ... (... ,diese [Aussage] ist falsch, ...)

Falls diese Aussage wahr ist, muss sie (laut eigener Aussage) falsch sein. Falls sie jedoch falsch ist, ist die Aussage, dass sie falsch sei, korrekt.

Mathematische Logik

Laut Definition ist es Ziel der mathematischen Logik, das natürliche, umgangssprachliche Hantieren mit Aussagen und Folgerungen in einem mathematischen Formalisms, einem Kalkül, zu präzisieren, um zu einer rein mechanischen Ausführung von Beweisen zu gelangen. Um Probleme zu vermeiden, wie sie zuvor anhand von Beispielen aufgezeigt wurden, ist es in diesem Teilgebiet der Mathematik extrem wichtig, zwischen Objekt- und Metasprache zu unterscheiden.

In diesem Wiki werden folgende Sprachen verwendet:

Sprache Syntax Semantik In diesem Wiki
Objektsprache
Ausdrücke und Terme
bestehend aus $\neg$, $\wedge$, $\vee$, $\rightarrow$, $\leftrightarrow$, $\bigwedge$, $\bigvee$ etc.
Wenn es auf die Unterscheidung
zwischen Objekt- und Metaausdrücken
ankommt, werden Objektausdrücke in
Anlenhnung an Gburecht et al. (1983)[10]
in Klammern $\ulcorner$ und $\urcorner$ gesetzt.
Wahrheitswerte, formal definiert
mittels einer Metasprache
GlossarWiki:Objektsprache
Metasprache Ausdrücke und Terme
bestehend aus $\neg$, $\wedge$, $\vee$, $\rightarrow$, $\leftrightarrow$, $\bigwedge$, $\bigvee$ etc.
sowie deutsche Sätze
informell beschrieben mittels
der Metametasprache
GlossarWiki:Metasprache
Metametasprache etc. Deutsch
(Rechtschreibung und Grammatik)
als bekannt vorausgesetzte
Semantik der deutschen Sprache

Vermischung von Objekt- und Metaebene

Manchmal ist die Vermischung von Objekt- und Metaebene notwendig, um neue, bahnbrechende Einsichten zu erhalten.

Kurt Gödel hat mit seinem berühmten erstem Unvollständigkeitsatz bewiesen, dass es in jedem widerspruchsfreiem axiomatischen System, dass die Arithmetik der natürlichen Zahlen umfasst, wahre Ausagen gibt, die nicht mit Hilfe des Systems bewiesen werden können, dass es kein Axiomensystem gibt, mit dem sich alle arithmetischen Wahrheiten beweisen lassen.[11]

Gödels Beweisidee basiert auf einer Vermischung der Sprachebenen. Zunächst definiert er – auf Objektebene! – mit Hilfe der Arithmetik der natürlichen Zahlen einen Beweiskalkül G. Anschließend transformiert er den Satz „Diese Aussage lässt sich innerhalb des Systems G nicht beweisen.“ in die Objektsprache. Diese in die Objektsprache transformierte Aussage kann tatsächlich nicht mit Hilfe des Systems G bewiesen werden, da dies sofort zu einem Widersprucht führen würde. Also gibt es eine wahre Aussage, die innerhalb von G nicht beweisen werden kann. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei G um eine wahre Aussage handelt, findet auf der Metaebene, also außerhalb des Systems G statt.

Quellen

  1. Duden Band 5 (2001): Duden – Das Fremdwörterbuch; Band: 5; Auflage: 7; Verlag: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Adresse: Mannheim; ISBN: 3411040572; 2001; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. Brockhaus (1991, MAG-MOD): Brockhaus-Enzyklopädie: Band 14, MAG-MOD; Auflage: 19; Verlag: F.A. Brockhaus GmbH; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-7653-1114-6; 1991; Quellengüte: 5 (Buch)
  3. Brockhaus (1991, NOS-PER): Brockhaus-Enzyklopädie: Band 16, MAG-MOD; Auflage: 19; Verlag: F.A. Brockhaus GmbH; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-7653-1116-2; 1991; Quellengüte: 5 (Buch)
  4. Gellert, Kästner, Neuber (1979): Lexikon der Mathematik; Hrsg.: Walter Gellert, Herbert Kästner und Siegfried Neuber; Auflage: 2; Verlag: VEB Bibliographisches Institut Leipzig; Adresse: Leipzig; 1979; Quellengüte: 5 (Buch)
  5. Brockhaus (1988, EX-FRT): Brockhaus-Enzyklopädie: Band 7, EX-FRT; Auflage: 19; Verlag: F.A. Brockhaus GmbH; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-7653-1107-3, 3-7653-1207-X; 1988; Quellengüte: 5 (Buch), Stichwort „Frege“, S. 617
  6. Frege (1892): Gottlob Frege; Über Sinn und Bedeutung; in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik; Band: 100; Seite(n): 25-50; Web-Link 0, Web-Link 1, Web-Link 2; 1892; Quellengüte: 5 (Artikel)
  7. Güntzer, Schmidt, Kempf, Möller (1989): Ulrich Güntzer, Gunther Schmidt, Michael Kempf und Bernhard Möller; Mathematische Logik; Band: TUM-I-8900; Hochschule: Technische Universität München; 1989; Quellengüte: 4 (Skript), Seite 1-7
  8. vgl. auch Hofstadter, Dennett (1985): Douglas R. Hofstadter und Daniel C. Dennett; The Mind's I – Fantasies and Reflections on Self and Soul; Verlag: Bantam Dell; ISBN: 0553345842; Web-Link; 1985; Quellengüte: 5 (Buch), Chapter 17, Reflections
  9. Savonarola (1542): Girolamo Savonarola; Dr. B. Bolzanos Wissenschaftslehre – Compendivm totivs philosophiae, tam naturalis, quam moralis. Opus de divisione ordine, ac utilitate omnium scientiarum, in poeticen apologeticum. Compendium logices.; Verlag: Venetijs apud Iuntas; Web-Link; 1542; Quellengüte: 5 (Buch), Liber Decimus, Nr. 18, S. 214 – 215 (PDF: S. 883 – 884)
  10. Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983): Jürgen-Michael Glubrecht, Arnold Oberschelp und Günter Todt; Klassenlogik; Verlag: Bibliographisches Institut; Adresse: Mannheim, Wien, Zürich; ISBN: 3-411-01634-5, 978-3411016341; 1983; Quellengüte: 5 (Buch)
  11. Gödel (1931): Kurt Gödel; Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I; in: Monatshefte für Mathematik und Physik; Band: 38; Nummer: 1; Seite(n): 173-198; Verlag: Springer-Verlag GmbH; Adresse: Wien; Web-Link; 1931; Quellengüte: 5 (Artikel)

Siehe auch

  1. Aussage
  2. Russellsche Antinomie
  3. Epimenides