Geordnetes Paar: Definition von Frege

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Definition des geordneten Paars, Frege (1893), §144, S. 179

Frege (1893)[1]

Wir definiren nun das Paar so:

$\Vdash\acute{\epsilon}(o \frown (a \frown \epsilon)) = o \;;\; a$

Das Semikolon ist hierbei zweiseitiges Functionszeichen. (§144, S. 179[1])

Das Paaraxiom

Freges Paar-Begriff erfüllt das Paaraxiom, Frege (1893), Tafel der wichtigeren Lehrsätze, S. 248

Frege beweist mit Hilfe der von ihm definerten Axiome mehrere Paar-Eigenschaften. Die wichtigsten dieser Sätze sind (in moderner Notation, wobei das Symbol $\vdash$ der „Inferenzoperator“ ist):

$\vdash a = i \;\rightarrow\; (o = e \;\rightarrow\; o \;;\; a = e \;;\; i)\quad$ (Frege (1893), §155, Satz Nr. 251; Tafel der wichtigeren Lehrsätze, S. 248)
Wenn ein Gegenstand mit einem zweiten und ein dritter Gegenstand mit einem vierten zusammenfällt, so fällt das aus dem ersten und dritten bestehende Paar zusammen mit dem aus dem zweiten und vierten bestehenden.
$\vdash m \;;\; x = c \;;\; d \;\rightarrow\; x = d\quad$ (Frege (1893), §149, Satz Nr. 219; Tafel der wichtigeren Lehrsätze, S. 248)
Wenn ein Paar mit einem zweiten zusammenfällt, so fällt das zweite Glied des ersten mit dem zweiten Gliede des zweiten zusammen.
$\vdash m \;;\; x = c \;;\; d \;\rightarrow\; m = c\quad$ (Frege (1893), §149, Satz Nr. 220; Tafel der wichtigeren Lehrsätze, S. 248)
(ohne weitere Erörterungen von Frege)

Diese Eigenschaften zeigen, dass sein Paarbegriff das Paaraxiom erfüllt, welches explizit erst vier Jahre später von Giuseppe Peano formuliert wurde.[2]

Dies ist die älteste mir bekannte Definition, die den Paar-Begriff auf zuvor definierte Grundbegriffe zurückführt. Allerdings ist diese Definition nicht dazu geeignet, Relationen und Funktionen zu defineren, weil sie den Funktionsbegriff als gegeben voraussetzt.

Veranschaulichung von Freges Definition

Freges Definition

$\Vdash\acute{\epsilon}(o \frown (a \frown \epsilon)) = o \;;\; a$

kann man in modernen Klassensystemen im Prinzip durch folgende Definition nachbilden:

$o \;;\; a$ ist eine Funktion, mit $(o \;;\; a)(\epsilon) = \epsilon(a)(o)$.

(Die Begründung für diese Darstellung und die Unterschiede zu Freges Definition werden im übernächsten Abschnitt erörtert.)

Es fällt auf, dass der Paar-Begriff von Frege wesentlich auf dem Funktionbegriff basiert: Ein Frege-Paar ist eine Funktion, deren Definitionsbereich lauter zweistellige Funktionen enthält. (Genaugenommen ist der Definitionsbereich eines Frege-Paars gleich der Allklasse. Allerdings ist $o \frown (a \frown \epsilon))$ bei Frege gleich der leeren Menge, wenn $\epsilon$ kein Wertverlauf einer zweistelligen Funktion ist. Welchen Wert $\epsilon(a)(o)$ annimmt, falls $\epsilon$ keine zweistelltige Funktion ist, hängt vom zugrundeliegenden Klassensystem ab. Für die weiteren Betrachtungen ist es nicht von Bedeutung, welcher konkrete Wert dies ist, da nur zweistellige Funktionen betrachtet werden.)

Da der Funktionsbegriff so wesentlich für die Definition des Freges-Paares ist, heißt dies, dass Funktionen nicht mit Hilfe des Fregepaares (als Klasse von bestimmten Paaren) definiert werden können. Das war aber auch nicht die Absicht von Frege. Er benötigt die Paare zur Konstruktion von reellen Zahlen (vgl. Frege (1903, §161 ff.)[3], Kutschera (1989, S. 125)[4]).

Projektopnsoperatoren für Frege-Paare

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Anmerkungen zur Veranschaulichung von Freges Definition

Freges Definition

$\Vdash\acute{\epsilon}(o \frown (a \frown \epsilon)) = o \;;\; a$

ist nicht zu verstehen, wenn man seine Symbolik nicht kennt. Daher soll diese Definition im Folgenden veranschaulicht werden.

$\Vdash$ ist der „Definitionsdoppelstrich“, der von Frege als Erweiterung des „Urtheilstrich“s $\vdash$ definiert wird (Frege (1893, §27 und §5)[5]). Das Symbol $\vdash$ wird in der Logik heute noch als „Herleitungs“-/„Ableitungs“- bzw. „Inferenzoperator“ verwendet (siehe z.B. vorherigen Abschnitt).

Gottlob Frege definiert das Paar $o \;;\; a$ mit Hilfe des von ihm zuvor eingeführeten „Werthverlaufs“ $\acute{\epsilon}\phi(\epsilon)$ einer Funktion $\phi$ und der von ihm zuvor definierten „Function $\xi \frown \zeta$ mit zwei Argumenten“ (Frege (1893, §9 und §34)[5]).

Es sein $\phi$ eine Funktion. Laut Kutschera (1989, S. 96)[4] kann man den zugehörigen Wertverlauf $\acute{\epsilon}\phi(\epsilon)$ in heutigen Klassensystemen durch die Klasse $\{[\epsilon,y]: y=\phi(\epsilon)\}$ ausdrücken. Für Frege sind Funktionen allerdings grundlegender als Klassen. Er wusste noch nicht, dass Klassen und der Paarbegriff ausreichen, um Relationen und Funktionen zu definieren. Daher ist „Werthverlauf“ für ihn ein Grundbegriff, der nicht definiert, sondern nur erläutert werden kann.[4] Heute wird zwischen einer Funktion und ihrem Wertverlauf i.Allg. nicht mehr unterschieden. Im Gegenteil: Funktionen werden mit Hilfe von Wertverlaufsklassen definiert (siehe z.B. Schmidt (1966)[6]).

Frege betrachtet nicht nur arithmetische Funktionen, sondern auch Prädikatsfunktionen. Diese heißen bei ihm „Begriffe“ (Frege (1893, §3, S. 8)[5]). Eine Pädikatsfunktion liefert für alle Argumente einen Wahrheitswert T oder F als Ergebnis. Frege bezeichnet diese Werte als „das Wahre“ und „das Falsche“. Wenn $\phi$ eine Prädikatsfunktion ist, kann der Wertverlauf von $\phi$ auch als Klasse aufgefasst werden, die alle Elemente (Frege: „Gegenstände“) $\epsilon$ enthält, für die $\phi(\epsilon)$ wahr ist. $\acute{\epsilon}\phi(\epsilon)$ entspricht unter dieser Sichtweise der Klasse $\{\epsilon: \phi(\epsilon)\}$ (vgl. Kutschera (1989, Kapitel 6.4)[4]). Insbesondere definiert Fregge die leere Menge und einelementige Mengen mit Hilfe von Wertverläufen:

moderne Definition Freges Definition Quellen
leere Menge $\emptyset := \{x: x\not=x\}$ $\acute{\epsilon}\neg(\epsilon=\epsilon)$ Klasse, Frege (1893, S. 53, vorletzter Absatz)[5]
Einermenge $\{a\} := \{x: x=a\}$ oder
$\{a\} := \{x: \rm{Mg}(a) \rightarrow x = a\}$
$\acute{\epsilon}(\epsilon=a)$ Klasse, Frege (1893, §11)[5]
Extraktion des Elements
einer Einermenge
$\rm{Mg(a)} \wedge A =\{s\} \rightarrow \bigcap{A} = a$ Wenn $A =\acute{\epsilon}(\epsilon=a)$, dann $\backslash A = a$

Schmidt (1966, S72, 8.28)[6], Frege (1893, §11)[5]

Für Nicht-Einermengen liefern $\bigcap$ und $\backslash$ allerdings unterschiedliche Ergebnisse.
Definition des $\frown$-Operators, Frege (1893, §34, S. 53)[5]

Frege definiert den Frown-Operator wie folgt:

$\Vdash\backslash\acute{\alpha}(\neg\bigwedge g : u = \acute{\epsilon}g(\epsilon) \rightarrow \neg g(a) = \alpha) = a \frown u$

Dies kann man mit Hilfe der Operatoren $\bigvee$ und $\wedge$ (die Frege allerdings nicht explizit definiert und daher auch nicht explitizt verwendet), etwas einfacher ausdrücken (da $\neg \bigwedge g: a \rightarrow \neg b$ äquivalent zu $\bigvee g: a \wedge b $ ist):

$\Vdash\backslash\acute{\alpha}(\bigvee g : u = \acute{\epsilon}g(\epsilon) \wedge g(a) = \alpha) = a \frown u$

Das heißt, man kann in modernen Klassensystemen Freges Paardefinition

$\Vdash\acute{\epsilon}(o \frown (a \frown \epsilon)) = o \;;\; a$

folgendermaßen formulieren:

$o \;;\; a$, ist eine Funktion, für die Folgendes gilt: $(o \;;\; a)(f) = f(a)(o)$

Insbesondere gilt daher:

$\begin{array}{lclclcl}
 a \frown \acute{\epsilon}\phi(\epsilon) & = & \backslash\acute{\alpha}(\bigvee g : \acute{\epsilon}\phi(\epsilon) = \acute{\epsilon}g(\epsilon) \wedge g(a) = \alpha) \\
                                         & = & \backslash\acute{\alpha}(\phi(a) = \alpha) \\
                                         & = & \phi(a)
\end{array} $

$a \frown u$ liefert also, falls u der Wertverlauf einer Funktion $\phi$ ist, den Wert der Funktion $\phi$ für das Argument $a$ als Ergebnis. Falls $u$ kein Wertverlauf ist, gilt dagegen $a \frown u = \acute{\epsilon}\neg(\epsilon=\epsilon)$, d.h. $a \frown u$ hat die leere Menge als Ergebnis. (Frege (1893, S. 53, letzter Absatz)[5]; Kutschera (1989, S. 104)[4]).

Wenn $\phi$ wieder eine Prädikatsfunktion ist, entspricht der $\frown$-Operator dem heutigen Elementoperator $\in$:

$a \frown \acute{\epsilon}\phi(\epsilon) = \phi(a)$

entspricht dann in moderner Notation Folgender Beziehung:

$a \in \{\epsilon: \phi(\epsilon)\} \leftrightarrow \phi(a)$

Nach diesen zahlreichen Vorbemerkungen, kann man sich Freges Definition nun folgendermaßen veranschaulichen:

Wenn man, wie zuvor erörtert wurde, eine Funktion mit ihrem Wertverlauf gleichsetzt ($\{\epsilon: \phi(\epsilon)\} \;\hat=\; \phi$), dann kann der $\frown$-Operator mit dem Funktionsaufruf-Operator $(\cdot)$ gleichgesetzt werden: $\phi(a) = a \frown \acute{\epsilon}\phi(\epsilon) \;\hat=\; a \frown \phi$.

Freges Definition

$\Vdash\acute{\epsilon}(o \frown (a \frown \epsilon)) = o \;;\; a$

kann man sich damit folgendermaßen veranschaulichen:

$o \;;\; a$ ist eine Funktion (ein Wertverlauf), für die $(o \;;\; a)(f) = f(a)(o)$ gilt, sofern f eine zweistellige Funktion ist. Für einstellige Funktionen und Nicht-Funktionen gilt dagegen $(o \;;\; a)(f) = \emptyset$.

Quellen

  1. 1,0 1,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Frege wurde kein Text angegeben.
  2. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Peano (1897a) wurde kein Text angegeben.
  3. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Kutschera (1989): Franz von Kutschera; Gottlob Frege – Eine Einfügrung in sein Werk; Verlag: Walter de Gruyter GmbH; Adresse: New York; Web-Link; 1989; Quellengüte: 5 (Buch)
  4. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Frege (1893) wurde kein Text angegeben.
  5. 6,0 6,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Schmidt (1966) wurde kein Text angegeben.