Menge (Mengenlehre)

aus GlossarWiki, der Glossar-Datenbank der Fachhochschule Augsburg

Definition nach Cantor (1895)[1]

Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung $ M $ von bestimmten wohlunterscheidbaren Objekten $ m $ unserer Anschauung und unseres Denkens (welche Elemente von $ M $ genannt werden) zu einem Ganzen.

Anmerkung

Diese Definition führt, wenn man eine uneingeschränkte Mengenbildung zulässt, zu einer Antinomie, d.h. zu einem logischen Paradoxon. Dieses wurde 1902 erstmals von Bertrand Russell beschrieben und ist heute unter dem Namen Russellsche Antinomie bekannt.

Um diese Paradoxon zu vermeiden, muss man die Mengenbildung einschränken. Man muss also zusätzlich festlegen, welches die „bestimmten“ Objekte sind, die man in einer Menge zusammenfassen darf. Man beachte, dass die Einschränkung auf „bestimmte“ Objekt bereits von Cantor gefordert wurde. Nur war ihm damals vermutlich noch nicht bewusst, wie wichtig dieser einschränkende Zusatz ist.

Anschauliche Definition: Kumulative Typenstruktur

Gegeben sei ein „Vorrat“ von wohlunterscheidbaren Urelementen. Unter diesen Elementen befinde sich keine der nachfolgend definierten Mengen.

  • Eine Menge der $1$. Stufe ist eine Zusammenfassung von Urelementen.
  • Eine Menge der $n+1$. Stufen ist eine Zusammenfassung von Urelementen und/oder Mengen einer niedrigeren Stufe $i \le n$.

Geschichte und weitere Varianten der hierarchischen Typenstrukturen: siehe Hauptartikel Kumulative Typenstruktur.

Anmerkung

Die kumulative Typenstruktur vereitelt die Russelsche Antinomie, indem sie Definition der so genannten Russell-Menge („Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten“) unterbindet.

Formale mathematische Definitionen

In der Mathematik werden „Mengen“ selbst nicht definiert (genauso wenig wie „Punkte“, „Gruppen“ etc.). Stattdessen geht man davon aus, dass es ein Universum von „Mengen“ gibt, für das bestimmte Regeln gelten. Diese Regeln werden im Rahmen der sogenannten Mengenlehre mit Hilfe von Axiomen innerhalb der Prädikatenlogik erster Stufe formal festgelegt.

Heutzutage werden im Wesentlichen zwei Axiomensystem eingesetzt:

In beiden Axiomensystemen gibt es nur ein Prädikat, die so genannte Elementbeziehung: $x \in y$ („$x$ ist Element von $y$“). Weiter Prädikate, wie die Teilmengenbeziehung ($x \subseteq y$), die Gleichheit zweier Mengen ($x=y$) etc. können mit Hilfe der Elementbezziehung definiert werden:

  • $x \subseteq y \quad :\leftrightarrow\quad \forall e: e \in x \leftrightarrow e \in y$
  • $x = y \quad :\leftrightarrow\quad x \subseteq y \wedge y \subseteq x$
  • etc.

Während der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ein Universum von „Mengen“ zugrunde liegt, wird in der Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre ein allgemeiners Universum trachtet: Ein Universum von „Klassen“. In diesem Univesum gibt es zwei Arten von Klassen: „Mengen“ und „Unmenge“. Eine Menge zeichnet sich dadurch aus, dass sie Element einer beliebigen Klasse ist. Eine Unmenge ist dagegen kein Element irgendeiner Klasse.

Anmerkungen

Die Russellsche Antinomie wird in jedem der zuvor beschriebenen Axiomensystemen durch eine (axiomatische) Beschränkung der Mengenbildung vermieden. In der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehreist kann die Russell-Menge nicht definiert werden, in der Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre kann zwar die Russell-Klasse definiert werden. Bei dieser Klasse handelt es sich jedoch um eine Unmenge. Es gibt also auch hier keine Russelmenge.

Die Frage, ob die Axiomensystemen der Mengenlehre nun, da die Russellsche Antinomie beseitigt wurde, widerspruchsfrei sind, oder ob es weitere Antinomien gibt, kann nicht bewiesen werden. In seinem zweiten Unvollständigkeitssatz beweist Kurt Gödel, dass hinreichend starke widerspruchsfreie Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen können.[2][3][4] Mit „hinreichend stark“ ist hier gemeint, dass die Artihmetik der natürlichen Zahlen im System formalisiert werden kann. Dies ist bei den Mengenlehreaxiomen der Fall.

Allerdings gibt es zahlreiche Beweise der Art „Wenn die Zermelo-Fraenkelsche-Mengenlehre widerspruchsfrei ist, dann ist auch das erweiterte/eingeschränkte System ... widerspruchsfrei“.[5]

Weitere Zusammenfassungen von Objekten

Mengen sind nicht die einzige Möglichkeit, „Objekte unserer Anschauung und unseres Denkens“ zu einer Einheit zusammenzufassen.

Die Definition von Cantor ist hinsichtlich des Aufbaus von Mengen etwas unpräzise. Für axiomatisch definierte Mengen und Klassen gelten jedoch folgenden zwei Eigenschaften:

  • Zwei Klassen, die dieselben Elemente enthalten, werden als gleich bezeichnet und behandelt, unabhängig davon, wie oft eine Klasse ein Element enthält. Anschaulich bedeutet das, das eine Klasse jedes Element höchstens einmal enthält: $\{a,b,c\} = \{a,a,a,b,b,c,c,c,c,c\} = \{a,b,a,c,a\} \ldots$.
  • Die Element-Beziehung legt keine Reihenfolge der Elemente fest: $\{a,b,c\} = \{c,b,a\} = \{b,a,c\} \ldots$

Andere Arten von „Objekt-Zusammenfassungen“ berücksichtigen die Anzahl und/oder die Reihenfolge der Elemente:

  • Liste (Reihenfolge der Elemente liegt fest; Element können mehrfach vorkommen)
  • Feld/Array (Reihenfolge und Anzahl der Elemente liegt fest; Elemente können mehrfach vorkommen)
  • assoziatives Feld (jedes Element hat einen eigenen Bezeichner; Elemente können mehrfach vorkommen)
  • Multimenge (Reihenfolge der Elemente ist undefiniert; Elemente können mehrfach vorkommen)

Alle diese Arten von Containern werden vor Allem im Programmiersprachen verwendet. Aus mengentheoretischer Sicht reicht es aus, das Paarmengenaxiom zu fordern. Damit können alle diese Arten von Containern mit Hilfe von Mengen nachgebildet werden (siehe insbesondere folgenden Artikel: Tupel).

Quelle

  1. Cantor (1895): Georg Cantor; Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre; in: Mathematische Annalen; Band: 46; Nummer: 4; Seite(n): 481 – 512; Verlag: B. G. Teubner Verlag; Adresse: Leipzig; ISSN: 00255831 (Papier), 14321807 (Online); Web-Link 0, Web-Link 1, Web-Link 2, Web-Link 3; 1895; Quellengüte: 5 (Artikel)
  2. Orginalpapier von Gödel: Quelle fehlt
  3. Schwichtenberg (2009): Helmut Schwichtenberg; Mathematical Logic; Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität; Adresse: München; Web-Link; 2009; Quellengüte: 5 (Skript)
  4. Hofstadter (1987): Douglas R. Hofstadter; Gödel, Escher, Bach – ein Endloses Geflochtenes Band; Auflage: 10; Verlag: Klett-Cotta; ISBN: 3-6089-3037-X; 1987; Quellengüte: 5 (Buch)
  5. siehe z.B. Ebbinghaus (2003): Heinz-Dieter Ebbinghaus; Einführung in die Mengenlehre; Reihe: Hochschultaschenbuch; Auflage: 4; Verlag: Spektrum Akademischer Verlag; Adresse: Heidelberg, Berlin; ISBN: 3-8274-1411-3; 2003; Quellengüte: 5 (Buch)
  1. Schwichtenberg (2000): Helmut Schwichtenberg; Mathematische Logik; Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität; Adresse: München; Web-Link; 2000; Quellengüte: 5 (Skript)
  2. Schwichtenberg (1985): Helmut Schwichtenberg; Mengenlehre; Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität; Adresse: München; 1985; Quellengüte: 4 (Skript)

Siehe auch

Wikipedia:Menge (Mathematik)


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