Metatheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Lösung des Henne-Ei-Problems==
==Lösung des Henne-Ei-Problems==


===Die Klassenlogiken===
Gulbrecht, Oberschelp und Todt definieren in Ihrem fundmentalen Werk  [[Gulbrecht, Oberschelp, Todt (1983)|„Klassenlogik“]]<ref name="Klassenlogik"/>
Gulbrecht, Oberschelp und Todt definieren in Ihrem fundmentalen Werk  [[Gulbrecht, Oberschelp, Todt (1983)|„Klassenlogik“]]<ref name="Klassenlogik"/>
diverse Logiken. Sie fangen an mit der [[Prädiaktenlogik]] LP und  
diverse Logiken. Sie fangen an mit der [[Prädiaktenlogik]] LP und  

Version vom 8. August 2016, 14:20 Uhr

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Ein formales System, wie z. B. eine mathematische Theorie oder auch eine Programmiersprache, kann weder definiert werden, noch können Eigenschaften dieses Systems gezeigt werden, wenn nicht ein formales oder auch informelles Metasystem existiert, mit dessen Hilfe dies geschieht.

Mathematiker behelfen sich, indem sie zunächst eine möglichst einfache und plausible Metatheorie festlegen, mit deren Hilfe sie ein erstes mathematisches System definieren. Sie zeigen dann Eigenschaften dieses Systems und können in einem nächsten Schritt eine komplexere Metatheorie als gegeben absehen, mit deren Hilfe sie weitere, komplexere Systeme formal definieren können. Etc. pp.

Informatiker gehen bei der Definition von Programmiersprachen und der Implementierung zugehöriger Compiler im Prinzip genauso vor. Dieses Verfahren wird Bootstraping genannt.

Definition (Duden – Das Fremdwörterbuch (2001))[1]

Metatheorie: wissenschaftliche Theorie, die ihrerseits eine Theorie zum Gegenstand hat; vgl. Metasprache

Definition (Gulbrecht, Oberschelp, Todt (1983, S. 30))[2]

Um unsere logischen Systeme zu entwickeln, brauchen wir eine Theorie, die wir inhaltlich bereits voraussetzen. Wir nennen diese die Metatheorie.

Bedeutung der Metatheorien

Wenn man ein gutes Lehrbuch zum Thema Prädikatenlogik liest und anschließend ein gutes Lehrbuch zum Thema Mengenlehre (oder umgekehrt), bekommt einen sofort das Gefühl, dass hier ein Henne-Ei-Problem vorliegt. Wer war zuerst da: Die Logik oder die Mengenlehre? Die Logiker setzen die Mengenlehre als bekannt voraus und die Mengentheoretiker die Prädikatenlogik. In jedem Fall dient die eine Theorie als Metatheorie, die zur Formalisierung der anderen eingesetzt wird.

Dennoch kann man auf eine gute Metatheorie nicht verzichten, wenn man eine Theorie formal einführen will. Die Vermischung von Objekt- und Metaebene hat häufig schwerwiegende Paradoxien zur Folge, die eine saubere Formalisierung einer Theorie unmöglich macht. Zum Beispiel kann dem Satz „Diser Saz enthält drei Fehler.“ keine sinnvolle Bedeutung zugeordnet werden da er Objekt- und Metaebene vermischt (siehe Metasprache).

Anndererseits kann eine saubere Vermengung von Meta- und Objektsprache sehr tiefliegende Erkenntnisse mit sich bringen. In der Informatik hat sich nicht umsonst die Programmiersprache LISP als wichtiges Werkzeug der künstlichen Intelligenz erwiesen. In dieser Sprache unterscheiden sich die Programm- und die Datenstrukturen nicht. Daher ist es ganz einfach, zur Laufzeit des Programmes (Objektebene) neuen Programmcode zu erstellen (Metaebene) und diesen dann sofort im aktuellen Programm mittels des eval- oder des apply-Befehls auszuführen. Das bedeutenste Ergebnis derartiger Betrachtungen dürfte jedoch der Gödelsche Unvollständigkeitssatz sein, der aufzeigt, dass jede hinreichend mächtige Theorie (die natürlichen Zahlen müssen enthalten sein) entweder inkonsitent ist oder Wahrheiten enthält, die mit den Mitteln der Theorie selbst nicht bewiesen werden können.

Die Vermengung von Meta- und Objektebene begegnet einem nicht nur in der Mathematik und der Informatik:

Malerei
Maurits Escher: „Gallery“ In Eschers Galerie (Objektsystem) hängt ein Bild (Metasystem), das die Galerie selbst enthält.
René Magritte: „Ceci n'est pas une pipe“) Magritte verdeutlicht in seinem Bild einer Pfeife (Metasystem), dass es sich gerade nicht um eine echte Pfeife (Objektsystem) handelt.
Musical
Das Musical „A Chorus Line“ handelt von einem Casting der Darsteller eines Musical. Das Casting ist eigentlich ein wesentlicher Bestandteil des Metasystems „Inszenierung eines Musicals“, wird hier jedoch auf Objektebene, d. h. im Musical selbst thematisiert.
Theater
Noch weiter geht die Verquickung von Objekt- und Metaebene bei „Venus im Pelz (2013)“. Hier wurde das Casting für ein Bühnenstück, das die Adaption einer Novelle zum Thema hat, verfilmt. Sowohl in der Novelle, als auch im Bühnenstück, als auch im Casting selbst, wird der Hauptdarsteller der Hauptdarstellerin hörig. Im Stück werden sowohl die Objekt-, als auch die Metaebene thematisiert, deren Handlungsstränge parallel laufen. Ganz bewusst findet im Stück ständig ein Wechsel und häufig auch eine Vermischung der beiden Ebenen statt.
Botanik
Der Romanesco ist eine Blunekohl-Variante, deren Röschen selbstähnlich zur gesamten Pflanze sind. Und deren Röschen sind abermals selbstähnlich zur gesamten Pflanze.
Genetik
Das Metasystem „DNA“ beschreibt das Objektsystem „Lebewesen“. Lebewesen vervielfältigen bestehende und produzieren neue DNA, d. h., das Objektsystem erzeugt neue Elemente des Metasystems.

Fazit: Selbstbezüglichkeit ist ein unerschöpflicher Quell von Paradoxien, Komplexität, Eleganz und Schönheit. Angehende Informatiker verteufeln Rekursivität und doch ist eine Informatik ohne Rekursion unvostellbar, Programmiersprachen können ihre eigenen Compiler beschreiben, Text-Editoren ihre eigen Dokumentation, Fraktale Bäume bevölkern Film- und Computer-Spiel-Landschaften, Mandelbrotmengen dienen als Wandschmuck und haben zahlreiche Künstler inspiriert, ...

Lösung des Henne-Ei-Problems

Die Klassenlogiken

Gulbrecht, Oberschelp und Todt definieren in Ihrem fundmentalen Werk „Klassenlogik“[2] diverse Logiken. Sie fangen an mit der Prädiaktenlogik LP und erweitern diese schrittweise zur elementaren Logik LE, zur klassentheoretischen Logik LC und schließlich zur Ausdruckslogik LA. (Darüber hinaus definieren Sie noch ein paar weitere Logiken als Spezialfälle dieser Logiken.)

Bei der Definition der zugehörigen Metasprache gehen sie zuvor beschrieben vor. Sie definieren zunächst anschaulich eine einfache Metasprache und verfeinern und formalisieren diese in zwei nachfolgenden Schritten deutlich.

Auf den Seiten 30 und 31 legen sie die Eigenschaften der Metatheorie fest, die sie für die Formalisierung der Prädikatenlogik LP benötigen. Im Prinzip fordern sie, dass es in dieser Metatheorie genügend „Objekte“ gibt, die die Elemente der Prädikatenlogik repräsentieren können. Sie fordern, dass es spezielle Objekte gibt, „Individuen“ genannt, die in „Klassen“ zu zusammengefasst werden können. Klassen selbst können auch Individuen sein. Derartige Klassen werden als „Mengen“ bezeichnet.

Für ihre Metatheorie gibt es eine Metasprache. In dieser gibt es Variablen, wie z. B. $x$ und $M$, sowie einen Elementoperator $\in$. Mit $x \in M$ drücken Gulbrecht, Oberschelp und Todt aus, dass das Individuum $x$ ein „Element“ der Klasse $M$ ist. Variablen können indiziert werden, d. h., die natürlichen Zahlen zusammen mit den übliche Rechenoperationen werden als gegeben angesehen. Die Autoren legen rein informell fest, was unter den (endlichen) Klassen $\{x_1,\ldots,x_n\}$ und den (beliebig umfangreichen) Klassen $\{x|\ldots\}$ zu verstehen ist.

Neben den Klassen führen Gulbrecht, Oberschelp und Todt auch „Relationen“ und „Funktionen“ informell ein, verlangen aber nicht, dass Funktionen besondere Relationen und Relationen besondere Klassen sind.

Die Bedeutung der Inklusionsbeziehung $\subseteq$, den Durchschnitt und die Vereinigung von Klassen ($\cap$ und $\cup$ sowie großen Durchschnitt $\bigcap$ und große Vereinigung $\bigcup$) setzen sie als bekannt voraus, ebenso die geordneten Paare ($< \,,\, >$) und deren Erweiterung, die Folgen ($<x_i>_{i<\ldots}$), sowie das kartesische Produkt ($\times$). Zu guter Letzt setzen sie auch noch aussagenlogische Operatoren wie $\rightarrow$ und $\leftrightarrow$ sowie den Gelcihheitsoperator $=$ als bekannt voraus. Die anschließend verwendete Metasprache ist eine Mischung aus dem zuvor informell definierten Symbolen und deutschen Sätzen.

Das heißt, um den darauffolgenden Metatheorietischen Ausführungen der Autoren folgen zu können, muss man ein grundlegendes Verständnis von Aussagenlogik, Prädikatenlogik, Arithmethik und Klassentheorie haben. Es muss beispielsweise bekannt seint, dass die Unterscheidung zwischen Mengen und (echten) Klassen nötig ist, um Paradoxien wie die Russellsche Antinomie zu vermeiden. (Darüber hinaus benötigt man fundierte Kenntnisse in der Modelltheorie sowie in Ableitungskalkülen, die zur formalen Beschreibung der Semantik einer Logik eingesetzt werden.)

Nach Einführung der elementaren Logiksprache LE, in der unter anderem Klassen, Funktionen und Relationen formailisert wurden, weisen die Autoren auf S. 109 darauf hin, dass ab sofort die neuen Elemente, die in der formalen Sprache LE eingeführt wurden, auch Bestandteil der Metasprache sind, die allen darauffolgenden Betrachtungen zugrunde liegt.

Mit Hilfe der klassentheoretischen Logik LC, die im Anschluss an LE eingeführt wird, formalisieren Gulbrecht, Oberschelp und Todt die natürlichen Zahlen, die Ordinalzahlen und die ZF-Mengenlehre, der die Axiomen von Ernst Zermelo und Abraham Fraenkel zugrunde liegen. Auf S. 201 erweitern sie Ihre Metatheorie abermals: Sie setzen ab sofort in der Metatheorie eine allgemeine ZF-Mengenlehre inhaltlich voraus. Insbesondere verwenden sie in dieser Metasprache auch die in der Objektsprache LC eingeführten Symbole. Im gesamten Werk werden Ausdrücke, Terme und Sätze der jeweiligen Metasprache von Ausdrücken, Termen und Sätzen der Objektsprache unterschieden, indem Letztere ganz konsequent in Anführungszeichen $\ulcorner$ und $\urcorner$ gesetzt werden.

Quellen

  1. Duden Band 5 (2001): Duden – Das Fremdwörterbuch; Band: 5; Auflage: 7; Verlag: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Adresse: Mannheim; ISBN: 3411040572; 2001; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. 2,0 2,1

Siehe auch