Klasse (Mengenlehre)

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Ursprüngliche Definition

Der Begriff Klasse wurde zu Zeiten, als John von Neumann, Paul Bernays und Kurt Gödel diesem Begriff noch nicht seine heutige Bedeutung gegeben hatten, häufig als Synonym für den Begriff Menge verwendet.[1]

Anschauliche moderne Definition

Der Begriff Klasse wird in der „modernen“ Mathematik als Verallgemeinerung des Begriffes Menge verwendet.

Eine Klasse fasst – genauso wie eine Menge – bestimmte Objekte eines Programmiersprache Cs mittels der Element-Beziehung zu einer ungeordneten Einheit zusammen.

Allerdings unterscheidet man nun zwei Arten von Klassen, um Antinomien wie die Russellsche Antinomie zu vermeiden:

  • Mengen
  • virtuelle Klassen (echte Klassen, Unmengen)

Mengen sind „gutartige“ Klassen, in dem Sinne, dass sie selbst Elemente von Klassen sein können. Virtuelle Klassen sind dagegen so umfangreich, dass sie in überhaupt keiner Klasse als Element vorkommen können.

Definition in Anlehnung Schmidt[2]

Definitionen „mengentheoretische Aussageform“ und „mengentheoretische Aussage“

Eine prädikatenlogische Aussageform erster Stufe heißt mengentheoretische Aussageform, wenn in dieser Aussageform alle Prädikate die Form $x \in y$ haben. Eine geschlossene Aussageform, d.h. eine Aussageform, in der alle Variablen durch Quantoren gebunden sind, heißt mengentheoretische Aussage.

Die Elementbeziehung $\in$ ist also das einzige Prädikatssymbol in einer mengentheoretische Aussageform. Alle anderen Symbole entstammen der Prädikatenlogik erster Stufe: $\top, \bot, \wedge, \vee, \neg, \rightarrow, \leftrightarrow, \bigwedge, \bigvee$ sowie Variablen.

Definition „Klasse“

Gegeben seien ein Klassenuniversum $\mathcal K$ und ein zweistelliges Prädikat $\in$.

Eine Klasse, d.h. ein Mitglied des Klassenuniversums $\mathcal K$ zeichnet sich dadurch aus, dass sie Klassen als Elemente enthalten und Element von Klassen sein kann:

Für je zwei Klassen $x$ und $y$ gilt entweder
$\quad x$ ist Element von $y$, kurz $x \in y$
oder
$\quad x$ ist kein Element von $y$, kurz $\neg(x \in y)$ oder kürzer $x \notin y$.

Die Eigenschaften von Klassen werden axiomatisch mit Hilfe von mengentheoretische Aussageformen für ein „Universum“ $\mathcal{K}$ von Klassen festgelegt.

Weitere Prädikate

Für das Klassenuniversum gibt es diverse weitere Prädikate. Diese werden allerdings alle mit Hilfe der Element-Beziehung (als Abkürzungen für spezielle mengentheoretische Aussageformen) definiert.

Eine Klasse $a$, die Element irgendeiner beliebigen Klasse ist, heißt Menge:

$\rm{Mg}(a) \; :\leftrightarrow \; \bigvee k: a \in k$

Ein Klasse $a$, die kein Element irgendeiner Klasse ist, heißt Unmenge oder echte Klasse:

$\rm{UMg}(a) \; :\leftrightarrow \; \neg\rm{Mg}(a) \;\;(\leftrightarrow\; \neg\bigvee k: a \in k \;\leftrightarrow\; \bigwedge k: a \notin k)$

Eine Klasse $a$ heißt Teilklasse einer Klasse $b$, wenn jedes Element von $a$ auch Element von $b$ ist; alternativ sagt man auch $b$ ist Oberklasse von $a$:

$a \subseteq b \; :\leftrightarrow \; b \supseteq a \; :\leftrightarrow \; \bigwedge k: (k \in a \rightarrow k \in b)$

Zwei Klassen heißen gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten, anderenfalls heißen sie ungleich:

$a = b \; :\leftrightarrow \; \bigwedge k: (k \in a \leftrightarrow k \in b)$
$a \neq b \; :\leftrightarrow \; \neg(a = b)$

Eine Klasse $a$ heißt echte Teilklasse einer Klasse $b$, falls $a$ Teilklasse von $b$ aber ungleich $b$ ist; alternativ sagt man auch „$b$ ist echte Oberklasse von $a$“:

$a \subset b \; :\leftrightarrow \; b \supset a \; :\leftrightarrow \;(a \subseteq b \wedge b \neq a)$

Klassenkonstruktion

Wenn $A(m)$ eine mengentheoretische Aussageform ist, in der die Variable $ m $ frei vorkommen kann, dann heißt $\{m:A(m)\}$ Klasse aller Elemente $m$ mit der Eigenschaft $A(m)$.

Hier wurde ein so genanntes Termschema definiert: Für jede konkrete mengentheoretische Aussageform $A(m)$ ergibt sich ein konkreter Term $\{m:A(m)\}$.

Damit diese Terme in mengentheoretischen Aussagen und Aussageformen verwendet werden können, werden folgende zwei Vereinbarungen getroffen:

$a \in \{m:A(m)\} \;:\leftrightarrow\; \rm{Mg}(a) \wedge A(a)$
$\{m:A(m)\} \in a \;:\leftrightarrow\; \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge m: (m \in k \leftrightarrow \rm{Mg}(m) \wedge A(m)) )$

Mit Hilfe dieser beiden Definitionen kann jeder Klassenterm $\{m:A(m)\}$ in jeder beliebigen Aussageform „eliminiert“ werden, indem der Term einfach durch die ihn definierende Aussageform ersetzt wird.

Die freie Variable muss nicht unbedingt $m$ heißen, sondern kann anders benannt werden, solange sich dadurch nicht die Semantik der Aussageform $A(m)$ ändert. Insbesondere kann $m$ durch jede Variable $x$ ersetzt werden, die nicht als gebundene Variable im $A(m)$ enthalten ist. Der so geänderte Term beschreibt dieselbe Klasse:

$ \begin{array}{rclclcl} a \in \{m:A(m)\} & \;\leftrightarrow\; & \rm{Mg}(a) \wedge A(a) \\ & \;\leftrightarrow\; & a \in \{x:A(x)\}\\ \{m:A(m)\} \in a & \;\leftrightarrow\; & \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge m: (m \in k \leftrightarrow \rm{Mg}(m) \wedge A(m)))\\ & \;\leftrightarrow\; & \bigvee k: ( k \in a \,\wedge\, \bigwedge x: (x \in k \leftrightarrow \rm{Mg}(x) \wedge A(x)))\\ & \;\leftrightarrow\; & \{x:A(x)\} \in a \end{array} $

Allerdings ist nicht jede Umbenennung erlaubt. Beispielsweise kann in der Aussageform $A(m) = \bigvee x: x \in m$ die freie Variable $m$ nicht durch $x$ ersetzt werden, sich dadurch die Semantik ändert:

$\{m: \bigvee x: x \in m \}$ ist nicht äquivalent zu $\{x: \bigvee x: x \in x\}$

Wenn $A(m,v_1,\ldots,v_n)$ neben $m$ noch weitere freie Variablen $v_1,\ldots,v_n$ enthält, ergibt sich für jede konkrete Belegung $[v_1|a_1,\ldots,v_n|a_n]$ dieser weiteren freien Variablen ein eigener Term $\{m:A(m,v_1|a_1,\ldots,v_n|a_n)\}$, indem in $A$ jedes freie Vorkommen der Variablen $v_i$ durch den konkreten Wert $a_i$ ersetzt wird.

Spezielle Klassen Anlehnung Schmidt[2]

$\emptyset $ $:= \{m: \bot \} = \{m: \rm{UMg}(m)\} = \{m: m \not= m\} $ leere Menge, d.h. diejenige Klasse, die keine Mengen (und auch keine Unmengen!) enthält.
$\mathcal{V} $ $:= \{m: \top \} = \{m: \rm{Mg}(m)\} = \{m: m = m\} $ Allklasse, d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält.
$\mathcal{R} $ $:= \{m: m\notin m\}$ Russell-Klasse, d.h. diejenige Klasse, die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
$a \cup b $ $:= \{m: m \in a \vee m \in b\}$ Vereinigung zweier Klassen $a$ und $b$
$a \cap b $ $:= \{m: m \in a \wedge m \in b\}$ Durchschnitt zweier Klassen $a$ und $b$
$a \setminus b $ $:= \{m: m \in a \wedge m \notin b\}$ Differenz zweier Klassen $a$ und $b$
$\bar a $ $:= \{m: m \notin a \} = \mathcal{V} \setminus a$ Komplement der Klasse $a$
$\{\} $ $:= \emptyset$ alternativer Name für die leere Menge
$\{a\} $ $:= \{m: \rm{Mg}(a) \rightarrow m = a\}$ Einermenge oder einelementige MEnge; es gilt $\rm{Mg}(a) \leftrightarrow (m \in \{a\} \leftrightarrow m=a)$ und $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \mathcal{V}$
$\{a, b\} $ $:= \{a\} \cup \{b\} $ Zweiermenge oder zweielementige Menge (falls $a \not=b$)
$\{a, b, c\} $ $:= \{a, b\} \cup \{c\} $ Dreiermenge oder dreielementige Menge (falls $a$, $b$, $c$ paarweise verschieden sind)
$\vdots $

Alternative Definition der einelementigen Menge

Alternativ könnte man auch $\{a\} := \{x: x = a\}$ festsetzen. Für Mengen ergäbe sich daraus kein Unterschied zur obigen Definition. Für Unmengen würde dagegen $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \emptyset$ an Stelle von $\rm{UMg}(a) \leftrightarrow \{a\} = \mathcal V$ gelten. In den meisten Fällen ist es praktischer, Unmengen auf die Unmenge $\mathcal{V}$ und nicht auf die leere Mengen $\emptyset$ abzubilden, da man normalerweise weniger Fallunterscheidungen treffen muss. Beispielsweise gilt im ersten Fall $\{\{\mathcal R\}\} = \mathcal V$, im zweiten Fall dagegen $\{\{\mathcal R\}\} = \{\emptyset\}$. Das heißt, bei der Alternativdefinition würde man dem Ergebnis nicht mehr ansehen, dass ursprünglich versucht wurde, eine Unmenge als Element in eine Menge zu stecken. Allerdings bietet auch die Alternativdefinition Vorteile. Zum Beispiel ist $\{a\}$ im Falle der Alternativdefinition stets eine Menge.

Anthony Morse löst diese Problem, indem er in seiner Mengenlehre die „einelementige“ Klasse für jede Klasse $a$ auf beide Arten definiert: $\rm{sngl}\,a$ ist bei ihm die zugehörige „einelementige“ Klasse mit $\rm{sngl}\,a = \mathcal V$ im Falle von Unmengen $a$ und $\rm{sng}\,a$ ist die „einelementige“ Menge mit $\rm{sng}\,a = \emptyset$ im Falle von Unmengen $a$. Für Mengen $a$ stimmen diese beiden Definitionen überein und enthalten jeweils auch nur ein Element, nämlich $a$. Darüber hinaus definiert Morse $\{x\} := \rm{sngl}\,x$. Das heißt, er definiert $\{a\}$ genauso wie Schmidt.[3]

Verzicht auf Urelemente

In der klassenbasierten Mengenlehre wird heutzutage ebenso wie in der „reinen“ Mengenlehre auf die Definition von „Urelementen“ meist verzichtet. Die leere Menge reicht als Urelement aus. Wenn man irgendwelche realen oder abstrakten Objekte in Klassen zusammenfassen will, so muss man zunächst die diese Objekte mit bestimmten Klassen identifizieren. Man muss also für jedes Objekt eine Klasse definieren, die diese Objekt repräsentiert.

John von Neumann hat beispielsweise vorgeschlagen, die Ordinalzahlen – und damit als Spezialfall die natürlichen Zahlen – so zu definieren, dass jede Ordinalzahl (Neuman spricht von „Ordnungszahl“) alle ihre Vorgänger als Elemente enthält[4]:

$0 := \{\}$
$1 := 0 \cup \{0\} = \{\{\}\}$
$2 := 1 \cup \{1\} = \{0, 1\} = \{\{\}, \{\{\}\}\}$
$3 := 2 \cup \{2\} = \{0, 1, 2\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}\}$
$\vdots$
$\omega = \{0, 1, 2, \ldots\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots\}$
$\omega+1 = \omega \cup \{\omega\} = \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots, \{ \{\{\}, \{\{\}\}, \{\{\}, \{\{\}\}\}, \ldots\}\}\}$
$\vdots$

Anschließend kann man auch beliebige Ordinalzahlen in Klassen zusammenfassen. Genaugenommen werden allerdings keine Ordinalahlen, sondern deren Stellvertreter zu Klassen zusammengefasst:

$\{0,2\}= \{\{\},\{\{\{\}\},\{\}\}\}$
etc.

Die Definition von Neumann hat sich als besonders nützlich erwiesen, gerade weil sie nicht nur auf natürliche Zahlen beschränkt ist. Aber es gibt selbstverständlich noch zahlreiche andere Möglichkeiten, natürliche Zahlen oder Ordinalzahlen durch Klassen zu repräsentieren.

Beispiel für eine Alternativ-Definition der natürlichen Zahlen:

$0 := \{\}$
$1 := \{\{\}\}$
$2 := \{\{\{\}\}\}$
$3 := \{\{\{\{\}\}\}\}$
$\vdots$
$n+1 := \{n\}$
Vor- und Nachteile des Verzichts auf Urelemente

Der gravierende Vorteil, den der Verzicht auf Urelemente bietet, ist, dass man sich in Beweisen viele Fallunterscheidungen der Art „Wenn $x$ ein Urelement ist ..., anderenfalls ...“ spart.

Ein Nachteil ist, dass Mengenoperationen aus Mengen, die keine Urelemente repräsentieren, zufällig Mengen erzeugen können, die Urelemente repräsentieren, obwohl dies im aktuellen Kontext evtl. gar nicht von Bedeutung ist.

Ein weiterer Nachteil könnte sein, dass Mengen, die Urelemente repräsentieren, zusätzliche Eigenschaften haben, die die eigentlichen Urelemente gar nicht haben. Beispielsweise gelten für Ordinalzahlen, die auf die von-neumannsche Art definiert werden, ungewöhnliche Zusatzbeziehungen:

$\bigwedge m,n \in \Omega: m<n \leftrightarrow m \in n$
$4 \cap 2 = 2$ oder allgemeiner $\bigwedge m,n \in \Omega: m \cap n = \rm{min}(m,n)$
etc.

Für die Ordinalzahlen selbst gelten diese Beziegunhen dagegen nicht, da die Element-Beziehung, der Mengendurchschnitt etc. gar nicht definiert sind. Und wenn man natürliche oder Ordinalzahlen durch andere Mengen repräsentiert, ergeben sich andere Gesetzmässigkeiten. Wenn beispielsweise die obige Alternativ-Definition verwendet wird, dann gelten andere Gesetzmäßigkeiten als zuvor:

$4 \cap 2 = 0$ oder allgemeiner $\bigwedge m,n \in \mathbb{N}:m \not= m \rightarrow m \cap n = \{\}$

Die zusätzlichen Mengeneigenschaften, die Von-Neumann-Ordinalzahlen haben, haben sich allerdings nicht als Nachteil, sondern als Vorteil erwiesen, da damit viele Beweise über die Ordinalzahlen mit mengentheoretischen Hilfsmitteln beweisen lassen.

Unterschied zwischen Mathematik und Informatik

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mathematik und Informatik ist die Behandlung von Urelementen: In der Mathematik wird heute – wie zuvor beschrieben wurde – i.Allg. auf Urelemente ganz verzichtet. Stattdessen werden bestimmte Mengen (oder Klassen) als Repräsentanten für die benötigten Urelemente verwendet.

In der Informatik sind Urelemente dagegen von zentraler Bedeutung. Diese werden i. Allg. Werte oder Atome genannt. Beispiele:

  • Boolesche Werte
  • Numerische Werte
  • Zeichenketten
  • etc.

Axiomatisierung

Dass auf die zuvor beschriebene Art Weise tatsächlich Klassen gebildet werden können und welche dieser Klassen Mengen sind, wird axiomatisch festgelegt.

Komprehensionsaxiome

Es sei $A(k)$ eine mengentheoretische Aussageform in der $k$ eventuell als freie Variable vorkommt.

Die Komprehensionsaxiome – es gibt abzählbar viele davon, da für es jede der Aussageformen $A(k)$ ein eigenes Axiom gibt – sagen aus, unter welchen Umständen die Klasse $\{k: k \in A(k)\}$ existiert, also unter welchen Umständen die Objekte $k$ zu einer Klasse zusammengefasst werden können (Komprehension = Zusammenfassung).

Naive Komprehensionsaxiome

Gottlob Frege hat in seinen „Grundgesetzen der Arithmetik“[5] die uneingeschränkte Mengenbildung bzw. Klassenbildung zugelassen.[6]

Die „naiven“ Komprehensionsaxiome lauten – in moderner Notation – folgendermaßen:

Für jede mengentheoretische Aussageform $A(k)$ gilt: $\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow A(k))$

Diese Axiome führen jedoch sofort zur Russellschen Antinomie, indem man $A(k) := k \not\in k$ setzt. Das zugehörige Komprehensionsaxiom lautet:

$\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow k \notin k)$

Es sei $\mathcal R$ eine derartige Klasse $K$, dann gilt für jede Klasse $k$:

$k \in \mathcal R \leftrightarrow k \notin k$

Insbesondere gilt dies für die Klasse $\mathcal R$. Dies führt aber zu einem logischen Widerspruch:

$\mathcal R \in \mathcal R \leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R$

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Komprehension so zu beschänken, dass die Russellsche Antinomie nicht mehr direkt aus diesem Axiom abgeleitet werden kann. (Ob sie mit Hilfe weiterer Axiome der Mengenlehre abgeleitet werden kann, ist dagegen unbekannt. Falls dies nicht der Fall sein sollte – wovon man heute ausgeht –, kann dies jedoch nicht bewiesen werden. Dies ist eine der Schlussfolgerungen, die man aus dem zweiten Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel[7] ziehen kann.)

Klassen-Komprehensionsaxiome

In der Quine-Rosser-Mengenlehre werden folgende Komprehensionsaxiome eingesetzt, bei der darauf geachtet wird, dass nur Mengen (aber keine Unmengen) in Klassen zusammengefasst werden:

Für jede mengentheoretische Aussageform $A(k)$ gilt: $\bigvee K: \bigwedge k: (k\in K \leftrightarrow \rm{Mg}(k) \wedge A(k))$

Hier gilt für eine zur Aussageform $k \notin k$ gehörige Klasse $\mathcal R$:

$\mathcal R \in \mathcal R \leftrightarrow \rm{Mg}(\mathcal R) \wedge \mathcal R \notin \mathcal R$

Und daraus folgt $\neg\rm{Mg}(\mathcal R)$, d.h. $\mathcal R$ ist eine Unmenge, da anderenfalls eine Widerspruch auftreten würde. Es gibt also (mindestens) eine Russell-Klasse $\mathcal R$, die aber keine Menge, sondern eine Unmenge ist.

Die Unterscheidung zwischen Mengen und Unmengen stellt somit eine Möglichkeit dar, das Problem der Russellschen Antinomie zu vermeiden:

Auch die Allklasse ist eine echte Klasse. Dies kann aber erst mit Hilfe weiterer Axiome gezeigt werden.

Einfache Lemmata

Die leere Menge

Die leere Menge $\emptyset = \{m: \bot \}$ erfüllt die Bedingung $\bigwedge x: x \notin \emptyset$, da:

$ \begin{array}{rclr} x \notin \emptyset & \;\leftrightarrow\; & \neg(x \in \emptyset) \\ & \;\leftrightarrow\; & \neg(x \in \{m: \bot \}) & \rm{(Definition\ der\ leeren Menge)}\\ & \;\leftrightarrow\; & \neg(\rm{Mg}(x) \wedge \bot) & \rm{(Definition\ des\ Mengenoperators\ }\{\cdot:\cdot\}\rm{)}\\ & \;\leftrightarrow\; & \neg\bot \\ & \;\leftrightarrow\; & \top \end{array} $

Es gibt nur eine leere Menge $\emptyset$, d.h. eine Klasse, die diese Bedingung erfüllt. Gäbe es zwei verschiedene leere Mengen $\emptyset_1$ und $\emptyset_2$, die diese Bedingung erfüllen, so gälte laut der Definition der Gleichheit von Mengen:

$ \begin{array}{rclclcl} \emptyset_1 \not= \emptyset_2 & \;\leftrightarrow\; & \neg(\bigwedge x: (x \in \emptyset_1 \rightarrow x \in \emptyset_2) \wedge (x \in \emptyset_2 \rightarrow x \in \emptyset_1)) \\ & \;\leftrightarrow\; & \bigvee x: (x \in \emptyset_1 \wedge x \not\in \emptyset_2) \vee (x \in \emptyset_2 \wedge x \not\in \emptyset_1) \\ & \;\rightarrow\; & \bigvee x: x \in \emptyset_1 \vee x \in \emptyset_2\\ \end{array} $

Das ist aber ein Widerspruch zu den Voraussetzungen $\bigwedge x: x \notin \emptyset_1$ und $\bigwedge x: x \notin \emptyset_2$.

Dass die leere Menge $\emptyset$ tatsächlich eine Menge und nicht etwas einen Unmenge ist, muss axiomatisch gefordert werden:

Axiom: $\rm{Mg}(\emptyset)$

Alternative Definition der Begriffe „Menge“ und „Unmenge“

Ein Klasse $k$ ist eine Menge, wenn sie Element der Allklasse ist:

$\mbox{Mg}(k) \leftrightarrow k \in \mathcal{V}$

Eine Klasse $k$ ist eine Unmenge oder echte Klasse, wenn sie kein Element der Allklasse ist:

$\rm{UMg}(k) \leftrightarrow k \notin \mathcal{V}$

Gleichheit von Klassen

Die Gleichheitsbeziehung ist eine Äquivalenzrelation:

$\bigwedge a: a = a$
$\bigwedge a, b: a = a \leftrightarrow b = a$
$\bigwedge a,b,c : a=b \wedge b=c \rightarrow a=c$

Der Satz von Löwenheim/Skolem für die Prädikatenlogik erster Stufe besagt, dass jede erfüllbare Menge von prädikatenlogischen Aussagen ein abzählbares Modell hat. Daraus folgt insbesondere, dass es ohne Auszeichnung der Gleichheit unmöglich ist, Mengen einer festen endlichen Kardinalität oder endliche Mengen zu charakterisieren.[8]

Um dieses „Problem“ zu vermeiden, müsste man Prädikatenlogik erster Stufe mit Gleichheit zur Definition mengentheoretischer Aussagen verwenden. Das heißt, neben dem Prädikat „$\in$“ gäbe es noch das Gleichheitsprädikat „$=$“, dessen Bedeutung prädikatenlogisch und nicht mengentheoretisch definiert werden würde.

Einen großen Vorteil würde man damit aber nicht erzielen. So oder so gibt es bereits für endliche Mengen beliebig viele Darstellungen, wie z.B.

$ \{1,5\} = \{5,1\} = \{1,1,5\} = \{1,5,1,5\} = \{1,5,1,1,1,5\} = \ldots $ (Darstellungen einer zweielementigen Menge)

Ohne die Sonderbehandlung der Gleichheit spiegelt sich dies auch in den möglichen Modellen wieder, da es Modelle geben kann, in denen eine Menge (oder Klasse) nicht nur durch ein Objekt, sondern durch diverse äquivalente Objekte repräsentiert wird. Beispielsweise könnte die zweielementige Menge $\{1,5\}$ im Modell durch eine Vielzahl von Zeichenketten repräsentiert werden (vgl. Herbrandinterpretation):

{1,5}, {5,1}, {1,1,5}, {1,5,1,5}, {1,5,1,1,1,5} etc.

Ob durch die Sonderbehandlung der Gleichheit die Anzahl der möglichen Modelle etwas eingeschränkt wird oder nicht, ist angesichts der Tatsache, dass man sowieso mit zahlreichen Darstellungen einer Menge (oder Klasse) konfrontiert wird, nicht wirklich von Bedeutung.

Viel wichtiger wäre die Beantwortung der Frage, ob es überhaupt ein Modell gibt. Aber diese Frage lässt sich – als eine weitere Schlussfolgerung aus dem zweiten Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel[7] – nicht beantworten.

Quellen

  1. siehe beispielsweise Russell (1903): Bertrand Russell; The Principles of Mathematics; Auflage: 2; Verlag: W. W. Norton & Company; Adresse: Berlin; Web-Link; 1903; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. 2,0 2,1 Schmidt (1966): Jürgen Schmidt; Mengenlehre – Grundbegriffe; Reihe: B.I.Hochschultaschenbücher; Band: 1; Nummer: 56; Verlag: Bibliographisches Institut AG; Adresse: Mannheim; ISBN: B0000BUJC6; 1966; Quellengüte: 5 (Buch)
  3. Morse (1965): Anthony Perry Morse; A Theory of Sets; Reihe: Pure and Applied Mathematics; Band: 18; Verlag: Academic Press; Adresse: New York, London; Web-Link; 1965; Quellengüte: 5 (Buch), 2.45, 2.5.5.0
  4. Neumann (1923): John von Neumann; Zur Einführung der transfiniten Zahlen; in: Acta Scientiarum Mathematicarum (Szeged); Band: 1; Nummer: 4; Seite(n): 199-208; Hochschule: Szegedi Tudományegyetem; Web-Link; 1923; Quellengüte: 5 (Artikel)
  5. Frege (1893): Gottlob Frege; Grundgesetze der Arithmetik; Band: I; Verlag: Verlag Hermann Pohle; Adresse: Jena; Web-Link 0, Web-Link 1, Web-Link 2, Web-Link 3; 1893; Quellengüte: 5 (Buch)
  6. Frege (1903): Gottlob Frege; Grundgesetze der Arithmetik; Band: II; Verlag: Verlag Hermann Pohle; Adresse: Jena; Web-Link 0, Web-Link 1; 1903; Quellengüte: 5 (Buch), Nachwort, S. 253
  7. 7,0 7,1 Gödel (1931): Kurt Gödel; Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I; in: Monatshefte für Mathematik und Physik; Band: 38; Nummer: 1; Seite(n): 173-198; Verlag: Springer-Verlag GmbH; Adresse: Wien; Web-Link; 1931; Quellengüte: 5 (Artikel)
  8. Güntzer, Schmidt, Kempf, Möller (1989): Ulrich Güntzer, Gunther Schmidt, Michael Kempf und Bernhard Möller; Mathematische Logik; Band: TUM-I-8900; Hochschule: Technische Universität München; 1989; Quellengüte: 4 (Skript), S. 3.4-18

Siehe auch

  1. Felscher (1978): W. Felscher; Naive Mengen und abstrakte Zahlen; Band: 1; Verlag: BI-Wissenschaftsverlag; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-411-01538-1; 1978; Quellengüte: 5 (Buch)
  2. Ebbinghaus (2003): Heinz-Dieter Ebbinghaus; Einführung in die Mengenlehre; Reihe: Hochschultaschenbuch; Auflage: 4; Verlag: Spektrum Akademischer Verlag; Adresse: Heidelberg, Berlin; ISBN: 3-8274-1411-3; 2003; Quellengüte: 5 (Buch)
  3. Wikipedia:Klasse (Mengenlehre)
  4. Wikipedia:Ackermann-Mengenlehre