Russellsche Antinomie: Unterschied zwischen den Versionen

aus GlossarWiki, der Glossar-Datenbank der Fachhochschule Augsburg
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(299 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
=Definition=
{{Qualität
|correctness        = 4
|extent              = 4
|numberOfReferences  = 4
|qualityOfReferences = 5
|conformance        = 5
}}


Die von Cantor 1895 eigeführte Definition des Begriffs {{Menge}} als „Zusammenfassung von wohlunterscheidbaren Objekten
Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte [[Bertrand Russell]], dass ein naiver Mengenbegriff es ermöglicht, eine widerspruchsvolle „Menge“ zu definieren, die nicht existieren kann. Diese Entdeckung führte zusammen mit [[:Kategorie:Paradoxie|anderen Paradoxa]], die ebenfalls um die Jahrhundertwende herum entdeckt wurden,
unserer Anschauung und unseres Denkens“  führt zu einer [[Antinomie]], d.h. auf ein logisches [[Paradoxon]], das erstmals von [[Russel]] beschrieben wurde.
zur [[Grundlagenkrise der Mathematik]].


Russel definiert die '''Russel-Menge''' als die '''„Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten“'''. Die Russel-Menge ist eine „Zusammenfassung von wohlunterscheidbaren Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens“ und damit eine Menge. Außerdem ist sie selbst ein „Objekt unseres Denkens“ und kann damit Element von anderen Mengen sein – und auch von sich selbst!
==Definition==


Und so stellt Russel die Frage, ob sich die Russel-Menge selbst enthält. Diese Frage führt aber zu einem Widerspruch:
Die sogenannte Russellklasse <math>\mathcal R := \{x|x \notin x\}</math>
definiert die „Menge“ aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten.
Als Menge kann sie nicht existieren, da nicht geklärt werden kann,
ob <math>\mathcal R</math> sich selbst enthält oder nicht.


'''Die Russel-Menge enthält sich''' – laut Definition der Russel-Menge – '''genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält.'''
Um zu bestimmen, ob <math>\mathcal R</math> ein Element  <math>a</math> enthält, {{dh}} ob <math>a  \in \mathcal R</math> gilt, muss man <math>a</math> als Wert für <math>x</math> in die Definition einsetzen. Daraus leitet sich folgende Bedingung ab:
<div class="formula"><math>a \in \mathcal R \Leftrightarrow a \notin a\quad</math> (<math>a</math> ist genau dann in <math>\mathcal R</math> enthalten, wenn <math>a</math> nicht in <math>a</math> enthalten ist))</div>
Wenn man überprüfen will, ob sich Russellmenge selbst enthält, muss man also <math>\mathcal R</math> selbst als Wert für <math>x</math> in die Definition einsetzen.  
Damit erhält man aber eine widerspruchsvolle, {{dh}} unerfüllbare Aussage:
<div class="formula"><math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R</math>


Dieses Paradoxon hat die Cantorsche [[naive Mengenlehre]] in ihren Grundfesten erschüttern.
Die Russellklasse <math>\mathcal R</math> enthält sich selbst, genau dann, wenn sich <math>\mathcal R</math> nicht selbst enthält.  
</div>


'''Weitere Beispiele für die Russelsche Antinomie'''  
'''Anschauliche Beispiele für die Russellsche Antinomie'''


* Ein Barbier rasiert alle Männer des Ortes, die sich nicht selbst rasieren, und nur diese. Rasiert er sich selbst?
* Ein Barbier rasiert alle Männer des Ortes, die sich nicht selbst rasieren, und nur diese. Rasiert er sich selbst?<ref>{{Quelle|Russell (1918)}}, S. 228</ref>
* Ein Katalog beschreibt alle Kataloge, die sich nicht selbst beschreiben, und nur diese. Beschreibt dieser Katalog sich selbst?


Dies war eine informelle Beschreibung der Russel-Antinomie. Im Folgenden wird eine etws formalere Definition sowie eine möglich Lösung angegeben, die es erlaubt, eine [[axiomatische Mengenlehre]] zu definieren, die frei von der Russel-Antinomie ist. Leider kann man nicht beweisen, dass es in einer der modernen Axiomen-Systemen der Mengenlehre, und derer gibt es mehrere, keine anderen, bislang noch nicht entdeckten Antinomien gibt.
* Ein Katalog listet alle Kataloge auf, die sich nicht selbst auflisten, und nur diese. Listet dieser Katalog sich selbst auf?


=Definition des Begiffs „Menge“ nach Cantor=
==Bedeutung der Antinomie==


Der Begriff {{Menge}} wurde ursprünglich (1895) von Cantor folgendenrmaßen definiert:
[[1903]] hat Russell diese Antinomie publiziert, nachdem er die Antinomie im Axiomensystem von [[Gottlob Frege|Frege]]<ref name="Frege (1893)">{{Quelle|Frege (1893)}}</ref>
entdeckt hatte.<ref name="Russell (1903)">{{Quelle|Russell (1903)}}</ref> Frege war der erste Philosoph und Mathematiker, der ein formales System entwickelt hatte,
mit dessen Hilfe er mathematische Sätze rein formal herleiten wollte, {{dh}} ohne Benutzung einer [[Metasprache]], in der viele Begriffe üblicherweise nur
anschaulich definiert werden. 
Russell hat nun gezeigt, dass sich die widerspruchsvolle Aussage
<div class="formula"><math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R</math></div>
aus Freges Axiomensystem ableiten lässt.


Unter einer [[Menge (Mengenlehre)|Menge]] verstehen wir jede Zusammenfassung <math>M</math>
Das Problem einer derartigen Antinomie ist, dass sich aus einem [[ex falso quodlibet|Widerspruch jede beliebige Aussage herleiten]] lässt.
von bestimmten wohlunterscheidbaren Objekten <math>m</math>
Das heißt, ein widerspruchsvolles formales System ist wertlos. Seitdem Russell diese Erkenntnis publiziert hat,
unserer Anschauung und unseres Denkens
ist es nicht mehr möglich, ein System zur Formalisierung der Mathematik zu definieren, ohne zu begründen, dass
(welche [[Element]]e von <math>M</math> genannt werden)
die bekannten Antinomien nicht auf eine naheliegende Weise mit Hilfe der Formalismen des Systems abgeleitet werden können.
zu einem Ganzen. ([[Schwichtenberg (2000)]])
Allerdings ist es aufgrund der [[Gödelsche Unvollständigkeitssätze|Gödelschen Unvollständigkeitssätze]] nicht möglich, zu beweisen,
dass ein derartiges System auch wirklich widerspruchsfrei ist.  


=Definition der „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“=
Wie gesagt: Falls ein System widerspruchsvoll sein sollte, kann man alles beweisen, insbesondere jede Antinomie.
Das heißt, die Antinomie-Freiheit eines (hinreichend komplexen) formalen Systems kann niemlas bewiesen werden.
Es ist aber jederzeit möglich, dass ein findiger Kopf einen Widerspruch in
einem aktuellen formalen System findet und damit beweist, dass in diesem System jede beliebige Aussage ableitbar ist.
Den Mathematikern, Logikern und Philosophen bleibt daher nichts weiter übrig, als darauf zu vertrauen, dass ein derartiger Widerspruch nicht
enthalten ist, weil er sonst vermutlich schon entdeckt worden wäre. Und falls doch jemand eine neue Antinomie entdeckten sollte,
dann hofft man, dass sie ähnlich einfach behoben werden kann, wie die Russellsche Antinomie. Beispielsweise entdeckten
[[1935]] [[Stephen Kleene]] und [[John Barkley Rosser]] im [[Lambda-Kalkül]] von [[Alonzo Church]] sowie in der  
[[Kombinatorische Logik|Kombinatorischen Logik]]  von  [[Moses Schönfinkel]] and [[Haskell Curry]] einen Widerspruch,<ref>{{Quelle|Kleene, Rosser (1935)}}</ref> der
jedoch ebenfalls behoben werden konnte.


Aus Russells und Gödels Ergebnissen lässt sich eine fundamentale Erkenntnis ableiten: Auch die Mathematik ist letztlich eine Glaubensfrage.
Eine endgültige Sicherheit wird es nie geben. Daher ist es auch sehr sinnvoll, dass in englischsprachigen Ländern den Mathematikern ein „Doktor der Philosophie“
([[PhD]]) verliehen wird.
==Geschichte==
Der von [[Bernard Bolzano|Bolzano]], [[Gottlob Frege|Frege]], [[Richard Dedekind|Dedekind]] und anderen geprägte „naive“ {{Menge}}begriff, das beliebige Objekte in einer
Menge zusammengefasst werden können, führt zu einer [[Antinomie]].
Dieses logische [[Paradoxon]] wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von
[[Bertrand Russell]] im Axiomensystem von Frege<ref name="Frege (1893)">{{Quelle|Frege (1893)}}</ref> entdeckt.<ref name="Irvine, Deutsch (2014)">{{Quelle|Irvine, Deutsch (2014)}}</ref> Russell schrieb seine Entdeckung am 16. Juni [[1902]] an Frege.<ref name="Brief an Frege">{{Quelle|Gabriel et al. (1980)}}, S. 59f, Brief von Russell an Frege vom 16. Juni 1902</ref>
Russell definiert die '''Russellklasse''' – wie diese {{Klasse}} heute (zu Recht!) genannt wird – als die '''Klasse aller Klassen, die sich nicht selbst enthalten''':
{{Quote|Ebenso giebt es keine Klasse (als Ganzes) derjenigen
Klassen die als Ganze sich selber nicht angehören.<ref name="Brief an Frege"/>}}
Anfang des 20. Jahrhunderts hat man noch nicht zwischen ''{{Klasse}}n'' und ''{{Menge}}n'' unterschieden.
Diese Unterscheidung wurde erst später eingeführt, um die Russellsche Antinomie  und andere Paradoxa zu vermeiden (siehe [[Russellsche_Antinomie#Klassen|unten]]).
Die Russellklasse ist gemäß Freges Axiomensystem eine Menge und kann außerdem Element von anderen Mengen sein – evtl. sogar von sich selbst!
Und so stellt Russell die Frage, ob sich die Russellklasse selbst enthält. Diese Frage führt aber zu einem Widerspruch:
'''Die Russellklasse enthält sich''' – laut Definition der Russellklasse – '''genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält.''' Russell bemerkt dazu:
{{Quote|Daraus schliesse ich dass unter gewissen Umständen
eine definierbare Menge kein Ganzes bildet.<ref name="Brief an Frege"/>}}
Dieses Paradoxon war der Beginn der [[Grundlagenkrise der Mathematik]]. Schon Frege war
„auf's Höchste überrascht und [...] bestürzt“.<ref name="Brief an Frege"/> Im Nachwort zum zweiten Band seiner „Grundgesetze der Arithmetik“<ref>{{Quelle|Frege (1903)}}, S. 253</ref>, der 1903 erschienen ist, schreibt Frege:
{{Quote|Einem wissenschaftlichen Schriftsteller kann kaum etwas Unerwünschteres begegnen, als dass ihm nach Vollendung einer Arbeit eine der Grundlagen seines Baues erschüttert wird. In diese Lage wurde ich durch einen Brief des Herrn Bertrand Russell versetzt, als der Druck dieses Bandes sich seinem Ende näherte. Es handelt sich um mein Grundgesetz (V). Ich habe mir nie verhehlt, dass es nicht so einleuchtend ist, wie die andern, und wie es eigentlich von einem logischen Gesetze verlangt werden muss. Und so habe ich denn auch im Vorworte zum ersten Bande S. VII auf diese Schwäche hingewiesen. Ich hätte gerne auf diese Grundlage verzichtet, wenn ich irgendeinen Ersatz dafür gekannt hätte. Und noch jetzt sehe ich nicht ein, wie die Arithmetik wissenschaftlich begründet werden könne, wie die Zahlen als logische Gegenstände gefasst und in die Betrachtung eingeführt werden können, wenn es nicht — bedingungsweise wenigstens — erlaubt ist, von einem Begriffe zu seinem Umfange überzugehn. Darf ich immer von dem Umfange eines Begriffes, von einer Klasse sprechen? Und wenn nicht, woran erkennt man die Ausnahmefälle?}}
Auf der von ihm angesprochenen Seite VII seines ersten Bandes schreibt Frege tatsächlich, dass ein „Streit“  um sein Grundgesetz V „entbrennen“ kann:<ref>[[Frege (1893)]], S. VII</ref>
{{Quote|Ein Streit kann hierbei, soviel ich sehe, nur um mein Grund­gesetz der Werthverläufe (V) entbrennen, das von den Logikern vielleicht noch nicht eigens ausgesprochen ist, obwohl man danach denkt, {{zB}} wenn man von Begriffsumfängen redet. Ich halte es für rein logisch. Jedenfalls ist hiermit die Stelle bezeichnet, wo die Entscheidung fallen muss.}}
[[David Hilbert|Hilbert]] erfuhr von dem Russellschen Paradoxon aus einer Kopie des zweiten Bandes der „Grundgesetze der Arithmetik“, den Frege ihm geschickt hatte.
Er schrieb daraufhin an Frege, dass [[Ernst Zermelo|Zermelo]] dieses Paradoxon schon drei oder vier Jahre zuvor (also 1899 oder 1900) ebenfalls entdeckt hatte und
er selbst vor vier oder fünf Jahren weitere, noch überzeugendere Widerspruche gefunden hatte.<ref  name="Ebbinghaus (2015)">{{Quelle|Ebbinghaus (2015)}}</ref>
Wirklich ernst genommen hatten die Mathematiker dieser Zeit derartige Widersprüche allerdings noch nicht. Erst die Erkenntnis, das der erste Versuch,
ein streng formales Fundament für die Mathematik zu schaffen, wegen dieser Paradoxa gescheitert ist, veranlasste die Mathematiker, sich mit dieser Problematik
ernsthaft auseinanderzusetzen. Russell fand mit der [[Typentheorie (Mengenlehre)|Typentheorie]] eine erste Lösung, wie sich diese Probleme vermeiden lassen.<ref name="Russel (1903) §§497–500"/><ref>{{Quelle|Russell (1908)}}, S. 236ff</ref> Später folgten diverse alternative Methoden, die Mathematik
streng zu formalisieren und dabei die bekannten Paradoxien und Antinomien zu vermeiden: Axiomatisierung der Mengenlehre ([[Zermelo (1908b)]]<ref name="Zermelo (1908b)">{{Quelle|Zermelo (1908b)}}</ref>, [[Neumann (1925)]])<ref name="Neumann (1925)">{{Quelle|Neumann (1925)}}</ref>, Lambda-Kalkül ([[Church (1941)]])<ref name="Church (1941)">{{Quelle|Church (1941)}}</ref>, Klassenlogik ([[Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983)]])<ref name="Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983)">{{Quelle|Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983)}}</ref> und viele weitere.
[[1908]] bestätigt [[Ernst Zermelo]] in einer Fußnote [[David Hilbert|Hilbert]]s Aussage, dass er selbst die Russellsche Antinomie auch schon vor [[1903]]
entdeckt und Hilbert mitgeteilt habe.<ref>{{Quelle|Zermelo (1908a)}}, Fußnote **, S. 118–119</ref>
Daher spricht man manchmal auch vom ''Zermelo-Russell Paradoxon''
(siehe {{zB}} [[Ebbinghaus (2015)]], Chapter 2.4.3<ref>{{Quelle|Ebbinghaus (2015)}}</ref>). Zermelo selbst nennt das Paradoxon allerdings „Russelsche Antinomie“.<ref>[[Zermelo (1908a)]], S. 115, S. 124</ref><ref>[[Zermelo (1908b)]], S. 261, S. 265</ref>
==Formalere Beschreibung der Russellschen Antinomie==
In der Definition wurde Russellsche Antinomie informell beschrieben. Im Folgenden wird das Problem auf etwas formalerer Ebene beleuchtet.
Siehe auch: [[Klasse (Mengenlehre)#Axiomatisierung|Klasse, Abschnitt „Axiomatisierung“]]
===Definition der „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“===
Zunächst zeigt man, dass die „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“ auch ein  
Zunächst zeigt man, dass die „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“ auch ein  
Objekt unserer Anschauung ist und damit – nach Cantor – Element einer beliebigen Menge sein kann.
Objekt unserer Anschauung ist und damit Element einer beliebigen Menge sein kann.


Es sei <math>U</math> ('''U'''niversum) die Gesamtheit aller Objekte unserer Anschauung und unseres Denkens.
Es sei <math>U</math> ein {{Universum}}, das die Gesamtheit „aller Objekte unserer Anschauung und unseres Denkens“ umfasse.


Ein [[Logik|logische Formel]] <math>A(x)</math> beschreibt bestimmte Eigenschaften von Objekten aus <math>U</math>,
Ein [[Logik|logischer Ausdruck]] <math>A(x)</math> beschreibt bestimmte Eigenschaften von Objekten aus <math>U</math>,
indem sie für jedes Objekt <math>x</math> aus <math>U</math> den Wert <code>wahr</code> oder <code>falsch</code> als Ergebnis hat. Dabei bedeutet:
indem sie für jedes Objekt <math>x</math> aus <math>U</math> den Wert <code>wahr</code> oder <code>falsch</code> als Ergebnis hat (vgl. Definition des Begriffes „[[Aussage]]“). Dabei bedeutet:


* <code>wahr</code>: <math>x</math> hat die mit <math>A(x)</math> beschriebene Eigenschaft
* <code>wahr</code>: <math>x</math> hat die mit <math>A(x)</math> beschriebene Eigenschaft.
* <code>falsch</code>: <math>x</math> hat die mit <math>A(x)</math> beschriebene Eigenschaft '''nicht'''  
* <code>falsch</code>: <math>x</math> hat die mit <math>A(x)</math> beschriebene Eigenschaft '''nicht'''.


Damit kann man nun die „Menge aller Objekte <math>x</math> mit der Eigenschaft <math>A(x)</math>“ definieren:
Damit kann man die „Menge aller Objekte <math>x</math> mit der Eigenschaft <math>A(x)</math>“ definieren:
<math>\{x|A(x)\}</math> bezeichnet die Menge aller Objekte <math>x</math> aus <math>U</math>, die die  
<math>\{x|A(x)\}</math> bezeichnet die Menge aller Objekte <math>x</math> aus <math>U</math>, die die  
Eigenschaft <math>A</math> haben, d.h., für die <math>A(x)</math> den Wert <code>wahr</code> hat.
Eigenschaft <math>A</math> haben, {{dh}}, für die <math>A(x)</math> den Wert <code>wahr</code> hat.


Nun kann man die Element-Beziehung <math>b \in \{x|A(x)\}</math> folgendermaßen definieren:  
Nun kann man die Element-Beziehung <math>b \in \{x|A(x)\}</math> folgendermaßen definieren:  
<math>b\,</math> ist genau dann ein Element der Menge <math>\{x|A(x)\}\,</math>,
<math>b</math> ist genau dann ein Element der Menge <math>\{x|A(x)\}</math>,
in Zeichen <math>b \in \{x|A(x)\}</math>, wenn <math>A(b)\,</math> wahr ist,
in Zeichen <math>b \in \{x|A(x)\}</math>, wenn <math>A(b)</math> wahr ist,
d.h., wenn <math>A(b)\,</math> den Wert <code>wahr</code> hat.
{{dh}}, wenn <math>A(b)</math> den Wert <code>wahr</code> hat.
 
<div class="formula"><math>b \in \{x|A(x)\} \Leftrightarrow A(b)</math></div>


'''Beispiele'''
'''Beispiele'''


* <math>\{x|x \mbox{ ist Student an der Fachhochschule Augburg}\}\,</math> ist die Menge aller {{FHA}}-Studenten
* <math>P = \{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\}</math> ist die Menge aller Primzahlen; <math>7 \in P</math>, <math>8 \not\in P</math>.
* <math>\{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\}\,</math> ist die Menge aller Primzahlen
* <math>\mathbb{Q} := \{x|x \mbox{ ist eine rationale Zahl}\}</math> ist die Menge der rationalen Zahlen; <math>2/3  \in \mathbb{Q}, \pi \not\in \mathbb{Q}</math>.
* <math>\mathbb{Q} := \{x|x \mbox{ ist eine rationale Zahl}\}</math> ist die Menge der rationalen Zahlen
* <math>\mathcal{V} := \{x|x \mbox{ ist eine Menge}\}</math> sei die Menge aller Mengen; <math>S_{HSA} \in \mathcal{V}, P \in \mathcal{V}</math>, <math>\mathbb{Q} \in \mathcal{V}</math>, <math>\mathcal{V} \in \mathcal{V}</math> (sofern <math>\mathcal{V}</math> tatsächlich eine Menge wäre).
* <math>\mathbb{V} := \{x|x \mbox{ ist eine Menge}\}</math> ist die Menge aller Mengen
* <math>S_{HSA} := \{x|x \mbox{ ist derzeit Student an der Hochschule Augsburg}\}</math> ist die Menge aller derzeit an der {{HSA}} immatrikulierten Studenten (diese Menge ändert sich im Laufe der Zeit).


Jede Menge <math>\{x|A(x)\}\,</math> ist also „ein Objekt unserer Anschauung“ und damit ein Objekt aus unserem Universum <math>U\,</math>.
===Mengen, die sich selbst enthalten===
Dabei gibt es auch Mengen, die die etwas ungewöhnliche Eigenschaft haben sich selbst zu enthalten.
Zum Beispiel enthält sich die Menge
<math>\mathbb{V}</math> selbst, da <math>\mathbb{V}</math>– nach Cantor – die Eigenschaft erfüllt, eine Menge zu sein.


=Russelsche Antinomie=
Jede Menge <math>\{x|A(x)\}</math> ist „ein Objekt unserer Anschauung“ und damit ein Objekt aus unserem {{Universum}} <math>U</math>.
Dabei gibt es auch Mengen, die die etwas ungewöhnliche Eigenschaft haben, sich selbst zu enthalten.
Zum Beispiel enthielte sich die Allklasse <math>\mathcal{V}</math> selbst, wenn <math>\mathcal{V}</math> eine Menge wäre.
Allerdings hat Cantor bereits 1899 gezeigt, dass die dies nicht der Fall ist.<ref name="Brief Cantor 2">Brief von Cantor an Dedekind vom 30. August 1899, {{Quelle|Zermelo (1932)}}, S. 448</ref> Ein anderes Beispiel ist die Unterscheidung von ''Objekten'' und ''Nicht-Objekten'': Zum Beispiel enthält sich die ''Menge aller
Menschen'' nicht selbst (da eine Menge kein ''Mensch'' ist), die ''Menge aller Nicht-Menschen'' enthält sich dagegen selbst (da diese Menge ebenfalls
ein ''Nicht-Mensch'' ist). Aber auch hier besteht das Problem, das die ''Menge aller Menschen'' vereinigt mit der Menge aller ''Nicht-Menschen'' die Allklasse wäre,
die ja nicht als Menge existieren kann.


Aus der Tatsache, dass es Mengen gibt, die sich selbst enthalten, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist,
Man beachte, dass Mengen, die sich selbst enthalten, trotz der zuvor genannten Probleme nicht so selten und exotisch sind, wie
ergibt sich die so genannte [[Russelsche Antinomie]].  
man vermuten könnte. In der Informatik kommen sie sogar recht häufig vor: Immer,
wenn man Objekte so miteinander verkettet, dass ein geschlossener Pfad entsteht, hat man im
Prinzip eine Menge definiert, die sich selbst enthält.


<math>\mathcal R := \{x|x \mbox{ ist eine Menge} \wedge x \notin x\}</math> ist die so genannte Russel-Menge. Sie enthält alle
'''Beispiel in JavaScript'''
Mengen, die sich nicht selbst enthalten.  
 
Source: https://glossar.hs-augsburg.de/beispiel/javascript/SetTheory/SelfContainment/
 
<source lang="javascript">
let tuple = {a: 123, b: "foo"};
tuple.c = tuple;
</source>
 
''Das Objekt <code>tuple</code> enthält sich selbst'', wie man ganz leicht nachprüfen kann.
Folgende Befehle geben alle den Wert <code>123</code> auf der Konsole aus:
<source lang="javascript">
console.log(tuple.a);
console.log(tuple.c.a);
console.log(tuple.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.a);
</source>
 
Es gilt also:
<source lang="javascript">
tuple == tuple.c == tuple.c.c == tuple.c.c.c == ... ==
{a: 123, b: "foo", c: {a: 123, b: "foo", c: {a: 123, b: "foo", c: ... }}}
</source>
 
Man beachte, dass jedes JavaScript-Objekt als ein [[Tupel#Beispiele_in_Attributnotation|Tupel in Attributnotation]], {{dh}}, als eine spezielle {{Menge}} aufgefasst werden kann.
Das heißt, man kann die obige [[Aussage (Logik)|Aussage]] auch folgendermaßen formulieren:
 
<div class="formula">Die Menge <code>tuple</code> enthält sich selbst.</div>
 
Datenstrukturen, die die Bildung von Zyklen erlauben, kommen in der Informatik recht häufig vor:
* doppelt verkettete [[Liste]]n
* Ringlisten
* [[Netzplan|Netzpläne]]
* [[Graph]]en, wie z.B.
** [[World Wide Web]]
** Netzplan der Deutschen Bahn
* etc.
 
===Russellsche Antinomie===
 
Aus der Tatsache, dass es Mengen geben kann, die sich selbst enthalten, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist,
ergibt sich sofort eine Frage: Kann man ''alle'' Mengen, die sich nicht selbst enthalten, in einer Menge zusammenfassen?
 
<math>\mathcal R := \{x|x \mbox{ ist eine Menge} \wedge x \notin x\}</math> ist die so genannte Russellklasse. Sie enthält  
– laut Definition – alle Mengen, die sich nicht selbst enthalten.  


Es gilt z.B. <math>\{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\} \in \mathcal R</math> und
Es gilt z.B. <math>\{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\} \in \mathcal R</math> und
<math>\mathbb{Q} \in \mathcal R</math>, aber <math>3 \notin \mathcal R</math> (3 ist keine Menge) und <math>\mathbb{V} \notin \mathcal R</math>
<math>\mathbb{Q} \in \mathcal R</math>, aber <math>{\rm Sonne} \notin \mathcal R</math> (Sonne ist keine Menge) und <math>\mathcal{V} \notin \mathcal R</math>
(<math>\mathbb{V}</math> ist zwar eine Menge, enthält sich aber selbst).
Die Allklasse <math>\mathcal{V}</math> ist keine Menge und damit kein Element von <math>\mathcal R</math>. Aber auch wenn sie eine Menge wäre, wäre Sie nicht
in <math>\mathcal R</math> enthalten, da sie sich dann selbst enthalten würde.
 
Die Frage ist, ob sich die Russellklasse selbst enthält oder nicht. Gemäß Definition enthält sich die Russellklasse genau dann selbst,
wenn sie eine Menge ist und sich nicht selbst enthält:
 
<div class="formula"><math>\mathcal R \in \mathcal R \,\Leftrightarrow\, \mathcal R \in \{x|x \mbox{ ist eine Menge} \wedge x \notin x\} \,\Leftrightarrow\, \mathcal R \mbox{ ist ein Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R</math></div>
 
Wenn man die berühmte Cantorsche Definition von 1895
<div class="quote">Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung <math>M</math> von ''bestimmten'' wohlunterscheidbaren Objecten <math>m</math> unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die [[Element]]e von <math>M</math> genannt werden) zu einem Ganzen.<ref>{{Quelle|Cantor (1895)}}</ref>
</div>
naiv interpretiert (was Cantor selbst allerdings nicht tat; vgl. Kapitel [[Menge#Cantors_Definitionen_und_Antinomien|Cantors Definitionen und Antinomien]] im Artikel {{Menge}}), ist die Russellklasse ein ''wohlunterscheidbares Object unseres Denkens'' und damit eine Menge. Und damit ergibt sich sofort der erwähnte Widerspruch:
<div class="formula"><math>\mathcal{R} \in \mathcal{R} \Leftrightarrow  \mathcal{R} \notin \mathcal{R}</math></div>


Die Frage ist, ob sich die Russel-Menge selbst enthält oder nicht. Aber diese Frage kann nicht beantwortet werden,
In Worten: Die Russellklasse enthält sich genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält.
da sich die Russel-Menge genau dann selbst enthält, wenn sie eine Menge ist und sich nicht selbst enthält:
<math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \mbox{ ist ein Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R</math>.


Nach der Cantorschen Definition ist die Russel-Menge eine Menge. Und damit ergibt sich sofort der erwähnte Widerspruch:
[[Datei:Container russellsche antinomie.svg|mini|250px|Mengenuniversum, in der jede Menge ein Individuum ist und damit selbst Element von Mengen sein kann]]
<math>\mathcal{R} \in \mathcal{R} \Leftrightarrow  \mathcal{R} \notin \mathcal{R}</math>.
Moderne Formalisierungen der Logik und/oder der Mengenlehre basieren auf einer Menge von Ausdrücken oder Formeln (Ausdrucks[[universum]])
und einer beliebigen Anzahl von [[Universum|Individuenbereichen]], die verwendet werden können, um die Ausdrücke zu interpretieren.
Üblicherweise definiert man mit Hilfe der Ausdrücke eine Menge von [[Axiom]]en, die als [[Aussage|wahr]] vorausgesetzt werden. Ausdrücke heißen erfüllbar oder widerspruchsfrei,
wenn es Individuenbereiche gibt, für die gegebene Ausdrücke wahr sind. Der Ausdruck <math>\exists x: x \wedge \neg x</math> ist zum Beispiel unerfüllbar, da es keinen
Wahrheitswert gibt, der gleichzeitig wahr und falsch ist.


In Worten: Die Russel-Mengen enthält sich genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält.
Natürlich ist man nur an erfüllbaren, {{dh}} widerspruchsfreien Axiomen interessiert. Das Russell-Paradoxon lehrt uns nun, dass die unbeschränkte
Mengenbildung ([[Komprehension]]) nicht möglich ist. Ein Mengenuniversum, in dem beliebige Individuen in einer Menge zusammengefasst werden können
und überdies jede Menge selbst ein Individuum ist, kann es nicht geben.
Ein Komprehensionsaxiom, das dies ermöglicht, ist genauso wenig erfüllbar, wie der Ausdruck <math>\exists x: x \wedge \neg x</math>.
{{TBD|Quellen fehlen}}


=Lösung des Problems=
===Vermeidung des Russell-Paradoxons===


== [[Kumulative Typenstruktur]] ==
Die möglichen Lösungen des zuvor beschriebenen Problems, dass die Cantorsche Definition des Begriffs „Menge“ zu einem Paradoxon führt,
Die Antinomie ergibt sich nur dann nicht, wenn die Russel-„Menge“ keine Menge ist, sondern irgendetwas anderes.
liegen auf der Hand: Man muss dafür sorgen, dass <math>\mathcal{R}</math> entweder gar nicht definiert werden kann
oder, falls doch, zumindest keine Menge ist.


Es gab mehrere Versuche dieses „etwas anderes“ zu definieren. Im Prinzip ist die Idee, Mengen stufenweise zu definieren.
Das heißt, man muss verhindern, dass eine uneingeschränkte Komprehension unmöglich ist, indem man entweder die  
Eine Menge n-ter Stufe kann nur Mengen m-ter Stufe enthalten, wobei m kleiner sein muss als n. Dann gibt es keine Mengen, die sich selbst enthalten (weil ja jede Menge derselben Stufe angehört wie sie selbst :-) ). Es gibt also keine  „Menge aller Mengen“ und auch keine „Russel-Menge“ ([[Schwichtenberg (2000)]], [[Wikipedia:Typentheorie]]).  
Bildung gewisser Mengenausdrücke verbietet oder die Komprehension axiomatisch einschränkt.


Zwei Fragen ergeben sich:
==== [[Typentheorie]] ====
[[Datei:Container_typhierarchie_1.svg|mini|250px|Mengenuniversum, in der jede Menge der Stufe <math>i</math> ein Individuum der Stufe <math>i+1</math> ist]]
[[Datei:Container_typhierarchie_2.svg|mini|250px|Mengenuniversum, in der jede Menge der Stufe <math>i</math> ein Individuum aller Stufen <math>j &gt; i</math> ist]]
Die von Russell [[1903]] in seiner [[Typentheorie]] vorgeschlagene Lösung, Mengen abhängig von den darin enthaltenen Mengen hierarchisch in „Ebenen" anzuordnen, verhindert die Definition von <math>\mathcal{R}</math>. Es gibt keine Ebene, auf der <math>\mathcal{R}</math> zu liegen käme<ref name="Russel (1903) §§497–500">{{Quelle|Russell (1903)}}, §§497–500</ref>
Russell ging von einer Menge von Grundelementen aus, die der Stufe 0 der Typhierarchie zugeordnet sind.
Die Stufe n+1 der Typhierachie ist stets die [[Potenzmenge]] der Stufe n.


# Welche Elemente wählt man als Urelemente der Stufe 0? Die Stufe 0 enthält als einzige Stufe keine Mengen.
Stufe 0: 0, 1, 2, ... (irgendwelche Grundelemente, die keine Mengen sind)<br />
# Wie viele Stufen benötigt man?
Stufe 1: {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ..., <br />
Stufe 2: <nowiki>{{}}, {{0}}, {{1}}, ..., {{0,1}}, {{0,2}}, ..., ..., {{},{0}},  ..., {{},{0},{0,1}}, ...</nowiki><br />
Stufe 3: ...


Zu 1.: Wählt man beispielsweise die natürlichen Zahlen als Elemente der Stufe 0, so ist
Diese Struktur ist allerdings ziemlich sperrig. Man kann z.B. keine Mengen der Art {1, {1,2,3}} bilden,
{1,5,7} ein Element der Stufe 1 und {1,5,{5,7}} ein Element der Stufe 2:
da 1 und {1,2,3} auf unterschiedlichen Stufen liegen. Dieses Problem kann man lösen, wenn man dafür sorgt,
dass jede Stufe nicht nur die Elemente der Potenzmenge der Vorgängerstufe
enthält, sondern auch alle Elemente der Vorgängerstufe selbst.


Stufe 0: 0, 1, 2, ...<br>
Stufe 0: 0, 1, 2, ... (irgendwelche Grundelemente, die keine Mengen sind)<br />
Stufe 1: {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ..., ...<br>
Stufe 1: 0, 1, 2, ..., {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ...<br />  
Stufe 2: <nowiki>{{}}, {{0}}, {{1}}, ..., {{0,1}}, {{0,2}}, ..., ..., {{},{0}}, ..., {{},{0},{0,1}}, ..., ...</nowiki><br>
Stufe 2: 0, 1, 2, ..., {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ..., {{}}, {{}, 0}, {{}, 1}, ..., {{}, {0}}, {{}, 0, {0}}, ..., ...<br />
Stufe 3: ...
Stufe 3: ...


Aus rein mathematischer Sicht ist es gar nicht notwendig, irgendwelche Urelemente zu wählen. Man erhält auch ohne sie genug
Diese Ebenenstruktur wird [[Kumulative Typhierarchie]] genannt.<ref name="Felscher I">{{Quelle|Felscher, W. (1978): Naive Mengen und abstrakte Zahlen I}}</ref>
Objekte (nämlich Mengen), die man mit den übrigen Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens identifizieren kann:
In beiden Fällen kann eine Menge <math>n</math>-ter Stufe kann nur Mengen aus Stufen <math>m</math> kleiner <math>n</math> enthalten.
Damit gibt es keine Mengen, die sich selbst enthalten (weil ja jede Menge derselben Stufe angehört wie sie selbst).  
Es gibt also keine „Menge aller Mengen“ und auch keine „Russellmenge“.
 
==== Axiomatische Mengenlehre (Zermelo, Fraenkel) ====
 
{{TBD}}


Stufe 0: -<br>
==== {{Klasse}}n ====
Stufe 1: {}<br>
Stufe 2: {{}}<br>
Stufe 3: {{{}}}, {{},{{}}}<br>
Stufe 4: ...


Zu 2.: [[Shoenfield (1967)]] hat das so genannte [[Shoenfield-Prinzip]] formuliert (wenn auch etwas schwammig):
[[Datei:Container_mengenlehre.svg|mini|250px|Mengenuniversum, in dem zwischen ''Mengen'' und ''echten Klassen'' unterschieden wird; ''Mengen'' können als ''Individuen''
„Man betrachte eine Gesamtheit S von Stufen.  
Elemente von beliebigen Klassen sein; für echte Klassen gilt dies dagegen nicht]]
  Kann man sich eine Situation vorstellen,  
[[Datei:Container_klassenlogik_ohne_urelemente.svg|mini|250px|Man kann auf {{iAllg}} auf echte Individuen verzichten. Die leere Menge und die Möglichkeit, damit andere Mengen zu bilden, reichen aus, beliebige Individuen zu repräsentieren]]
  in der alle Stufen aus S konstruiert sind,
Die modernere {{Klasse}}nlehre verhindert die Definition von <math>\mathcal{R}</math> nicht vollständig.  
  so soll es eine Stufe geben,  
Sie verhindert allerdings, dass eine ''Menge'' <math>\mathcal{R}</math> definiert werden kann. <math>\mathcal{R}</math> wird hier als {{Unmenge}} oder ''echte Klasse'' bezeichnet.  
  die nach allen Stufen aus S kommt.“
Dieses Prinzip wird bei der [[transfiniten Induktion]] und den [[Ordinalzahl]]en ebenfalls verwendet.
Es besagt, dass nach undenlich vielen Schritten jeweils ein weiterer kommt, der die Ergebnisse dieser
unendliche vielen Schritte zusammenfasst.


Das Universum aller Mengen, die auf diese Weise definiert wurde, heißt [[kumulative Typenstruktur]].
Man nennt eine „Zusammenfassung von bestimmten Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens“ zunächst einmal {{Klasse}} und nicht {{Menge}}.
(Man beachte, dass zu Zeiten von Cantor, Russell und Co, die Begriffe ''Klasse'' und ''Menge'' noch synonymisch benutzt wurden.)
Der wichtigste Unterschied zu Cantors Definition ist, dass man nicht von jeder Klasse fordert,
ebenfalls ein solches „Objekt unserer Anschauung und unseres Denkens“ zu sein, das in irgendwelchen Zusammenfassungen enthalten sein kann.
Das heißt, es kann Klassen geben, die kein Element irgendeiner anderen Klasse sind, zum Beispiel, weil sie einfach „zu groß“ sind.
Im Gegensatz zu Cantors Zeiten unterscheidet man daher heute strikt zwischen „Mengen“ und „echten Klassen“ :


Allerdings formalisiert man die Mengenlehre nicht auf diese Weise, sondern führt mit Hilfe von Axiomen die so genannten {{Klasse}}n ein und kann dann für die meisten dieser Axiome zeigen, dass die [[kumulative Typenstruktur]] diese Axiome erfüllt.
Eine '''Klasse''' heißt '''Menge''', genau dann, wenn sie Element mindestens einer beliebigen Klasse ist.


== {{Klasse}}n ==
Anderenfalls heißt sie '''echte Klasse''' oder '''Unmenge'''.


Man nennt „Zusammenfassungen von bestimmten Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens“ zunächst einmal {{Klasse}} und nicht {{Menge}}.  
In der kumulativen Typhierarchie ist eine Menge ein Element, das auf irgendeiner Stufe (und damit ebenfalls auf allen darüber liegende Stufen) liegt.
Der wichtigste Untersched zu Cantors Definition ist, dass man nicht von jeder Klasse fordert, ebenfalls ein solches „Objekt unserer Anschauung und unseres Denkens“ zu sein. Das heißt, es kann Klassen geben, die kein Element irgendeiner anderen Klasse sind.
Die erste Stufe, auf der eine Menge zu liegen kommt, heißt ''definierende Stufe''.
Eine '''Unmenge''' ist dagegen eine '''Klasse''', die kein Element einer anderen Klasse ist und für die es daher auch keine definierende Stufe gibt.
Für die Elemente einer Unmenge gibt es dagegen schon definierende Stufen. Es gibt allerdings keine größte dieser Stufen.
Das heißt, für jedes Element einer Unmenge gibt es beliebig viele weitere Elemente der Unmenge, deren definierenden Stufen oberhalb der definierenden Stufe dieses Elements liegt.


Daher kann man zwei spezielle Arten von Klassen unterscheiden: die so genannten {{Menge}}n und die so genannten [[Unmenge]]n oder [[echte Klasse|echten Klassen]].
Beispiele für Unmengen sind die [[Allklasse]], {{dh}} die Klasse, die alle Mengen enthält (aber nicht alle Klassen!),
sowie die [[Russellklasse]], die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
Die '''Russellklasse''' enthält sich nicht selbst, da sie die Bedingung
„<math>\mathcal{R}</math> ist eine Menge“ nicht erfüllen kann (sonst ergäbe sich sofort die Russellsche Antinomie):


Eine '''Menge''' ist eine '''Klasse''', die Element einer anderen Klasse ist, d.h. die (sofern die kumulative Typenstruktur verwendet wird) auf irgendeiner der oben definierten Stufen liegt. Eine '''Unmenge''' ist eine
<div class="formula"><math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \mbox{ ist eine Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R</math></div>
'''Klasse''', die kein Element einer anderen Klasse ist und damit auch in keiner der obigen Stufen enthalten ist.


Beipiele für Unmengen sind die [[Allklasse]], d.h. die Klasse, die alle Mengen enthält (aber nicht alle Klassen!),
Wenn <math>R \mbox{ ist eine Menge}</math> gelten würde, ergäbe sich der Widerspruch
sowie die [[Russel-Klasse]], die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
<math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R</math>.
Die '''Russel-Klasse''' enthält sich nicht selbst, da sie die Bedingung
<math>\mathcal{R}</math> ist eine Menge“ nicht erfüllen kann (sonst ergäbe sich sofort die Russelsche Antinomie):


<math>\mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \mbox{ ist ein Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R \Leftrightarrow</math> <code>falsch</code>, d.h. <math>\mathcal R</math> ist eine Unmenge und damit <math>\mathcal R \notin \mathcal R</math>.  
Also gilt <math>\mathcal R</math> ist keine Menge, sondern eine Unmenge und damit gilt (beweisbar!) <math>\mathcal R \notin \mathcal R</math>, da eine Unmenge überhaupt kein Element irgendeiner Menge ist.  


Es gibt noch Unmengen von weiteren Unmengen. :-)  
Es gibt noch Unmengen von weiteren Unmengen. :-)  


Diese so genannte „Klassentheorie“ hat sich bisher als sehr stabil erwiesen. Es wurden keine weiteren Antinomien entdeckt und daher geht man davon aus, dass damit eine widerspruchfreie Mengenlehre definiert wurde. Leider kann man aber
Die  „Klassenlehre“ hat sich bisher als sehr stabil erwiesen. Es wurden bislang keine weiteren Antinomien entdeckt und daher geht man davon aus, dass damit eine widerspruchsfreie Mengenlehre definiert wurde. Leider beweist [[Kurt Gödel]] mit seinem zweiten [[Gödelscher Unvollständigkeitssatz|Unvollständigkeitssatz]]
auf Basis der [[Gödelscher Unvollständigkeitssatz|Gödelschen Unvollständigkeitsatzes]] beweisen, dass  
unter anderem auch, dass man die Widerspruchsfreiheit der zugehörigen [[Axiome der Mengenlehre]] nicht nachweisen kann.<ref>{{Quelle|Gödel, K. (1931): Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I}}</ref><ref>{{Quelle|Schwichtenberg, H. (2009): Mathematical Logic}}</ref>
man die Widerspruchfreiheit der zugehörigen [[Axiome der Mengenlehre]] nicht nachweisen kann. Mit ein wenig Unsicherheit
Mit ein wenig Unsicherheit
bezüglich dieser Definition müssen wir also bis in alle Zeiten leben. Vielleicht finden Sie ja eine neue Antinomie, die  
bezüglich dieser Definition müssen wir also bis in alle Zeiten leben. Vielleicht finden Sie ja eine neue Antinomie, die  
in dieser Definition enthalten ist. (Allerdings sollten Sie nicht Ihre Zeit damit verschwenden, da die Erfolgsaussichten doch sehr gering sind.)
in den aktuellen Mengenlehre-Axiomensystemen enthalten ist. (Allerdings sollten Sie nicht Ihre Zeit damit verschwenden, da die Erfolgsaussichten doch sehr gering sind.)


=Quelle=
==Quellen==
[[Schwichtenberg, H. (2000): Mathematische Logik]]
<references />


=Siehe auch=
==Siehe auch==
*[[Wikipedia:Russellsche Antinomie]]
* {{SieheAuch|Wikipedia (DE): Russellsche Antinomie}}
*[[Wikipedia:Typentheorie]]
*[[Wikipedia:Gödelscher Unvollständigkeitssatz]]


[[Kategorie:Mengenlehre]]
[[Kategorie:Mengenlehre]]
[[Kategorie:Paradoxie]]
[[Kategorie:Glossar]]
[[Kategorie:Glossar]]

Aktuelle Version vom 2. September 2019, 18:08 Uhr

Dieser Artikel erfüllt die GlossarWiki-Qualitätsanforderungen:

Korrektheit: 4
(großteils überprüft)
Umfang: 4
(unwichtige Fakten fehlen)
Quellenangaben: 4
(fast vollständig vorhanden)
Quellenarten: 5
(ausgezeichnet)
Konformität: 5
(ausgezeichnet)

Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte Bertrand Russell, dass ein naiver Mengenbegriff es ermöglicht, eine widerspruchsvolle „Menge“ zu definieren, die nicht existieren kann. Diese Entdeckung führte zusammen mit anderen Paradoxa, die ebenfalls um die Jahrhundertwende herum entdeckt wurden, zur Grundlagenkrise der Mathematik.

Definition

Die sogenannte Russellklasse $ \mathcal R := \{x|x \notin x\} $ definiert die „Menge“ aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten. Als Menge kann sie nicht existieren, da nicht geklärt werden kann, ob $ \mathcal R $ sich selbst enthält oder nicht.

Um zu bestimmen, ob $ \mathcal R $ ein Element $ a $ enthält, d. h. ob $ a \in \mathcal R $ gilt, muss man $ a $ als Wert für $ x $ in die Definition einsetzen. Daraus leitet sich folgende Bedingung ab:

$ a \in \mathcal R \Leftrightarrow a \notin a\quad $ ($ a $ ist genau dann in $ \mathcal R $ enthalten, wenn $ a $ nicht in $ a $ enthalten ist))

Wenn man überprüfen will, ob sich Russellmenge selbst enthält, muss man also $ \mathcal R $ selbst als Wert für $ x $ in die Definition einsetzen. Damit erhält man aber eine widerspruchsvolle, d. h. unerfüllbare Aussage:

$ \mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R $

Die Russellklasse $ \mathcal R $ enthält sich selbst, genau dann, wenn sich $ \mathcal R $ nicht selbst enthält.

Anschauliche Beispiele für die Russellsche Antinomie

  • Ein Barbier rasiert alle Männer des Ortes, die sich nicht selbst rasieren, und nur diese. Rasiert er sich selbst?[1]
  • Ein Katalog listet alle Kataloge auf, die sich nicht selbst auflisten, und nur diese. Listet dieser Katalog sich selbst auf?

Bedeutung der Antinomie

1903 hat Russell diese Antinomie publiziert, nachdem er die Antinomie im Axiomensystem von Frege[2] entdeckt hatte.[3] Frege war der erste Philosoph und Mathematiker, der ein formales System entwickelt hatte, mit dessen Hilfe er mathematische Sätze rein formal herleiten wollte, d. h. ohne Benutzung einer Metasprache, in der viele Begriffe üblicherweise nur anschaulich definiert werden. Russell hat nun gezeigt, dass sich die widerspruchsvolle Aussage

$ \mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R $

aus Freges Axiomensystem ableiten lässt.

Das Problem einer derartigen Antinomie ist, dass sich aus einem Widerspruch jede beliebige Aussage herleiten lässt. Das heißt, ein widerspruchsvolles formales System ist wertlos. Seitdem Russell diese Erkenntnis publiziert hat, ist es nicht mehr möglich, ein System zur Formalisierung der Mathematik zu definieren, ohne zu begründen, dass die bekannten Antinomien nicht auf eine naheliegende Weise mit Hilfe der Formalismen des Systems abgeleitet werden können. Allerdings ist es aufgrund der Gödelschen Unvollständigkeitssätze nicht möglich, zu beweisen, dass ein derartiges System auch wirklich widerspruchsfrei ist.

Wie gesagt: Falls ein System widerspruchsvoll sein sollte, kann man alles beweisen, insbesondere jede Antinomie. Das heißt, die Antinomie-Freiheit eines (hinreichend komplexen) formalen Systems kann niemlas bewiesen werden. Es ist aber jederzeit möglich, dass ein findiger Kopf einen Widerspruch in einem aktuellen formalen System findet und damit beweist, dass in diesem System jede beliebige Aussage ableitbar ist. Den Mathematikern, Logikern und Philosophen bleibt daher nichts weiter übrig, als darauf zu vertrauen, dass ein derartiger Widerspruch nicht enthalten ist, weil er sonst vermutlich schon entdeckt worden wäre. Und falls doch jemand eine neue Antinomie entdeckten sollte, dann hofft man, dass sie ähnlich einfach behoben werden kann, wie die Russellsche Antinomie. Beispielsweise entdeckten 1935 Stephen Kleene und John Barkley Rosser im Lambda-Kalkül von Alonzo Church sowie in der Kombinatorischen Logik von Moses Schönfinkel and Haskell Curry einen Widerspruch,[4] der jedoch ebenfalls behoben werden konnte.

Aus Russells und Gödels Ergebnissen lässt sich eine fundamentale Erkenntnis ableiten: Auch die Mathematik ist letztlich eine Glaubensfrage. Eine endgültige Sicherheit wird es nie geben. Daher ist es auch sehr sinnvoll, dass in englischsprachigen Ländern den Mathematikern ein „Doktor der Philosophie“ (PhD) verliehen wird.

Geschichte

Der von Bolzano, Frege, Dedekind und anderen geprägte „naive“ Mengebegriff, das beliebige Objekte in einer Menge zusammengefasst werden können, führt zu einer Antinomie. Dieses logische Paradoxon wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Bertrand Russell im Axiomensystem von Frege[2] entdeckt.[5] Russell schrieb seine Entdeckung am 16. Juni 1902 an Frege.[6]

Russell definiert die Russellklasse – wie diese Klasse heute (zu Recht!) genannt wird – als die Klasse aller Klassen, die sich nicht selbst enthalten:

Ebenso giebt es keine Klasse (als Ganzes) derjenigen Klassen die als Ganze sich selber nicht angehören.[6]

Anfang des 20. Jahrhunderts hat man noch nicht zwischen Klassen und Mengen unterschieden. Diese Unterscheidung wurde erst später eingeführt, um die Russellsche Antinomie und andere Paradoxa zu vermeiden (siehe unten).

Die Russellklasse ist gemäß Freges Axiomensystem eine Menge und kann außerdem Element von anderen Mengen sein – evtl. sogar von sich selbst! Und so stellt Russell die Frage, ob sich die Russellklasse selbst enthält. Diese Frage führt aber zu einem Widerspruch: Die Russellklasse enthält sich – laut Definition der Russellklasse – genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält. Russell bemerkt dazu:

Daraus schliesse ich dass unter gewissen Umständen eine definierbare Menge kein Ganzes bildet.[6]

Dieses Paradoxon war der Beginn der Grundlagenkrise der Mathematik. Schon Frege war „auf's Höchste überrascht und [...] bestürzt“.[6] Im Nachwort zum zweiten Band seiner „Grundgesetze der Arithmetik“[7], der 1903 erschienen ist, schreibt Frege:

Einem wissenschaftlichen Schriftsteller kann kaum etwas Unerwünschteres begegnen, als dass ihm nach Vollendung einer Arbeit eine der Grundlagen seines Baues erschüttert wird. In diese Lage wurde ich durch einen Brief des Herrn Bertrand Russell versetzt, als der Druck dieses Bandes sich seinem Ende näherte. Es handelt sich um mein Grundgesetz (V). Ich habe mir nie verhehlt, dass es nicht so einleuchtend ist, wie die andern, und wie es eigentlich von einem logischen Gesetze verlangt werden muss. Und so habe ich denn auch im Vorworte zum ersten Bande S. VII auf diese Schwäche hingewiesen. Ich hätte gerne auf diese Grundlage verzichtet, wenn ich irgendeinen Ersatz dafür gekannt hätte. Und noch jetzt sehe ich nicht ein, wie die Arithmetik wissenschaftlich begründet werden könne, wie die Zahlen als logische Gegenstände gefasst und in die Betrachtung eingeführt werden können, wenn es nicht — bedingungsweise wenigstens — erlaubt ist, von einem Begriffe zu seinem Umfange überzugehn. Darf ich immer von dem Umfange eines Begriffes, von einer Klasse sprechen? Und wenn nicht, woran erkennt man die Ausnahmefälle?

Auf der von ihm angesprochenen Seite VII seines ersten Bandes schreibt Frege tatsächlich, dass ein „Streit“ um sein Grundgesetz V „entbrennen“ kann:[8]

Ein Streit kann hierbei, soviel ich sehe, nur um mein Grund­gesetz der Werthverläufe (V) entbrennen, das von den Logikern vielleicht noch nicht eigens ausgesprochen ist, obwohl man danach denkt, z. B. wenn man von Begriffsumfängen redet. Ich halte es für rein logisch. Jedenfalls ist hiermit die Stelle bezeichnet, wo die Entscheidung fallen muss.

Hilbert erfuhr von dem Russellschen Paradoxon aus einer Kopie des zweiten Bandes der „Grundgesetze der Arithmetik“, den Frege ihm geschickt hatte. Er schrieb daraufhin an Frege, dass Zermelo dieses Paradoxon schon drei oder vier Jahre zuvor (also 1899 oder 1900) ebenfalls entdeckt hatte und er selbst vor vier oder fünf Jahren weitere, noch überzeugendere Widerspruche gefunden hatte.[9]

Wirklich ernst genommen hatten die Mathematiker dieser Zeit derartige Widersprüche allerdings noch nicht. Erst die Erkenntnis, das der erste Versuch, ein streng formales Fundament für die Mathematik zu schaffen, wegen dieser Paradoxa gescheitert ist, veranlasste die Mathematiker, sich mit dieser Problematik ernsthaft auseinanderzusetzen. Russell fand mit der Typentheorie eine erste Lösung, wie sich diese Probleme vermeiden lassen.[10][11] Später folgten diverse alternative Methoden, die Mathematik streng zu formalisieren und dabei die bekannten Paradoxien und Antinomien zu vermeiden: Axiomatisierung der Mengenlehre (Zermelo (1908b)[12], Neumann (1925))[13], Lambda-Kalkül (Church (1941))[14], Klassenlogik (Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983))[15] und viele weitere.

1908 bestätigt Ernst Zermelo in einer Fußnote Hilberts Aussage, dass er selbst die Russellsche Antinomie auch schon vor 1903 entdeckt und Hilbert mitgeteilt habe.[16] Daher spricht man manchmal auch vom Zermelo-Russell Paradoxon (siehe z. B. Ebbinghaus (2015), Chapter 2.4.3[17]). Zermelo selbst nennt das Paradoxon allerdings „Russelsche Antinomie“.[18][19]

Formalere Beschreibung der Russellschen Antinomie

In der Definition wurde Russellsche Antinomie informell beschrieben. Im Folgenden wird das Problem auf etwas formalerer Ebene beleuchtet.

Siehe auch: Klasse, Abschnitt „Axiomatisierung“

Definition der „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“

Zunächst zeigt man, dass die „Menge aller Objekte mit einer bestimmten Eigenschaft“ auch ein Objekt unserer Anschauung ist und damit Element einer beliebigen Menge sein kann.

Es sei $ U $ ein Programmiersprache C, das die Gesamtheit „aller Objekte unserer Anschauung und unseres Denkens“ umfasse.

Ein logischer Ausdruck $ A(x) $ beschreibt bestimmte Eigenschaften von Objekten aus $ U $, indem sie für jedes Objekt $ x $ aus $ U $ den Wert wahr oder falsch als Ergebnis hat (vgl. Definition des Begriffes „Aussage“). Dabei bedeutet:

  • wahr: $ x $ hat die mit $ A(x) $ beschriebene Eigenschaft.
  • falsch: $ x $ hat die mit $ A(x) $ beschriebene Eigenschaft nicht.

Damit kann man die „Menge aller Objekte $ x $ mit der Eigenschaft $ A(x) $“ definieren: $ \{x|A(x)\} $ bezeichnet die Menge aller Objekte $ x $ aus $ U $, die die Eigenschaft $ A $ haben, d. h., für die $ A(x) $ den Wert wahr hat.

Nun kann man die Element-Beziehung $ b \in \{x|A(x)\} $ folgendermaßen definieren: $ b $ ist genau dann ein Element der Menge $ \{x|A(x)\} $, in Zeichen $ b \in \{x|A(x)\} $, wenn $ A(b) $ wahr ist, d. h., wenn $ A(b) $ den Wert wahr hat.

$ b \in \{x|A(x)\} \Leftrightarrow A(b) $

Beispiele

  • $ P = \{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\} $ ist die Menge aller Primzahlen; $ 7 \in P $, $ 8 \not\in P $.
  • $ \mathbb{Q} := \{x|x \mbox{ ist eine rationale Zahl}\} $ ist die Menge der rationalen Zahlen; $ 2/3 \in \mathbb{Q}, \pi \not\in \mathbb{Q} $.
  • $ \mathcal{V} := \{x|x \mbox{ ist eine Menge}\} $ sei die Menge aller Mengen; $ S_{HSA} \in \mathcal{V}, P \in \mathcal{V} $, $ \mathbb{Q} \in \mathcal{V} $, $ \mathcal{V} \in \mathcal{V} $ (sofern $ \mathcal{V} $ tatsächlich eine Menge wäre).
  • $ S_{HSA} := \{x|x \mbox{ ist derzeit Student an der Hochschule Augsburg}\} $ ist die Menge aller derzeit an der HSA immatrikulierten Studenten (diese Menge ändert sich im Laufe der Zeit).

Mengen, die sich selbst enthalten

Jede Menge $ \{x|A(x)\} $ ist „ein Objekt unserer Anschauung“ und damit ein Objekt aus unserem Programmiersprache C $ U $. Dabei gibt es auch Mengen, die die etwas ungewöhnliche Eigenschaft haben, sich selbst zu enthalten. Zum Beispiel enthielte sich die Allklasse $ \mathcal{V} $ selbst, wenn $ \mathcal{V} $ eine Menge wäre. Allerdings hat Cantor bereits 1899 gezeigt, dass die dies nicht der Fall ist.[20] Ein anderes Beispiel ist die Unterscheidung von Objekten und Nicht-Objekten: Zum Beispiel enthält sich die Menge aller Menschen nicht selbst (da eine Menge kein Mensch ist), die Menge aller Nicht-Menschen enthält sich dagegen selbst (da diese Menge ebenfalls ein Nicht-Mensch ist). Aber auch hier besteht das Problem, das die Menge aller Menschen vereinigt mit der Menge aller Nicht-Menschen die Allklasse wäre, die ja nicht als Menge existieren kann.

Man beachte, dass Mengen, die sich selbst enthalten, trotz der zuvor genannten Probleme nicht so selten und exotisch sind, wie man vermuten könnte. In der Informatik kommen sie sogar recht häufig vor: Immer, wenn man Objekte so miteinander verkettet, dass ein geschlossener Pfad entsteht, hat man im Prinzip eine Menge definiert, die sich selbst enthält.

Beispiel in JavaScript

Source: https://glossar.hs-augsburg.de/beispiel/javascript/SetTheory/SelfContainment/

let tuple = {a: 123, b: "foo"}; 
tuple.c = tuple;

Das Objekt tuple enthält sich selbst, wie man ganz leicht nachprüfen kann. Folgende Befehle geben alle den Wert 123 auf der Konsole aus:

console.log(tuple.a);
console.log(tuple.c.a);
console.log(tuple.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.c.a);
console.log(tuple.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.c.a);

Es gilt also:

tuple == tuple.c == tuple.c.c == tuple.c.c.c == ... == 
{a: 123, b: "foo", c: {a: 123, b: "foo", c: {a: 123, b: "foo", c: ... }}}

Man beachte, dass jedes JavaScript-Objekt als ein Tupel in Attributnotation, d. h., als eine spezielle Menge aufgefasst werden kann. Das heißt, man kann die obige Aussage auch folgendermaßen formulieren:

Die Menge tuple enthält sich selbst.

Datenstrukturen, die die Bildung von Zyklen erlauben, kommen in der Informatik recht häufig vor:

Russellsche Antinomie

Aus der Tatsache, dass es Mengen geben kann, die sich selbst enthalten, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist, ergibt sich sofort eine Frage: Kann man alle Mengen, die sich nicht selbst enthalten, in einer Menge zusammenfassen?

$ \mathcal R := \{x|x \mbox{ ist eine Menge} \wedge x \notin x\} $ ist die so genannte Russellklasse. Sie enthält – laut Definition – alle Mengen, die sich nicht selbst enthalten.

Es gilt z.B. $ \{x|x \mbox{ ist eine Primzahl}\} \in \mathcal R $ und $ \mathbb{Q} \in \mathcal R $, aber $ {\rm Sonne} \notin \mathcal R $ (Sonne ist keine Menge) und $ \mathcal{V} \notin \mathcal R $ Die Allklasse $ \mathcal{V} $ ist keine Menge und damit kein Element von $ \mathcal R $. Aber auch wenn sie eine Menge wäre, wäre Sie nicht in $ \mathcal R $ enthalten, da sie sich dann selbst enthalten würde.

Die Frage ist, ob sich die Russellklasse selbst enthält oder nicht. Gemäß Definition enthält sich die Russellklasse genau dann selbst, wenn sie eine Menge ist und sich nicht selbst enthält:

$ \mathcal R \in \mathcal R \,\Leftrightarrow\, \mathcal R \in \{x|x \mbox{ ist eine Menge} \wedge x \notin x\} \,\Leftrightarrow\, \mathcal R \mbox{ ist ein Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R $

Wenn man die berühmte Cantorsche Definition von 1895

Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung $ M $ von bestimmten wohlunterscheidbaren Objecten $ m $ unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente von $ M $ genannt werden) zu einem Ganzen.[21]

naiv interpretiert (was Cantor selbst allerdings nicht tat; vgl. Kapitel Cantors Definitionen und Antinomien im Artikel Menge), ist die Russellklasse ein wohlunterscheidbares Object unseres Denkens und damit eine Menge. Und damit ergibt sich sofort der erwähnte Widerspruch:

$ \mathcal{R} \in \mathcal{R} \Leftrightarrow \mathcal{R} \notin \mathcal{R} $

In Worten: Die Russellklasse enthält sich genau dann selbst, wenn sie sich nicht selbst enthält.

Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Error: Unable to access jarfile /web/batik/batik-rasterizer.jar
Mengenuniversum, in der jede Menge ein Individuum ist und damit selbst Element von Mengen sein kann

Moderne Formalisierungen der Logik und/oder der Mengenlehre basieren auf einer Menge von Ausdrücken oder Formeln (Ausdrucksuniversum) und einer beliebigen Anzahl von Individuenbereichen, die verwendet werden können, um die Ausdrücke zu interpretieren. Üblicherweise definiert man mit Hilfe der Ausdrücke eine Menge von Axiomen, die als wahr vorausgesetzt werden. Ausdrücke heißen erfüllbar oder widerspruchsfrei, wenn es Individuenbereiche gibt, für die gegebene Ausdrücke wahr sind. Der Ausdruck $ \exists x: x \wedge \neg x $ ist zum Beispiel unerfüllbar, da es keinen Wahrheitswert gibt, der gleichzeitig wahr und falsch ist.

Natürlich ist man nur an erfüllbaren, d. h. widerspruchsfreien Axiomen interessiert. Das Russell-Paradoxon lehrt uns nun, dass die unbeschränkte Mengenbildung (Komprehension) nicht möglich ist. Ein Mengenuniversum, in dem beliebige Individuen in einer Menge zusammengefasst werden können und überdies jede Menge selbst ein Individuum ist, kann es nicht geben. Ein Komprehensionsaxiom, das dies ermöglicht, ist genauso wenig erfüllbar, wie der Ausdruck $ \exists x: x \wedge \neg x $.

TO BE DONE

Quellen fehlen

Vermeidung des Russell-Paradoxons

Die möglichen Lösungen des zuvor beschriebenen Problems, dass die Cantorsche Definition des Begriffs „Menge“ zu einem Paradoxon führt, liegen auf der Hand: Man muss dafür sorgen, dass $ \mathcal{R} $ entweder gar nicht definiert werden kann oder, falls doch, zumindest keine Menge ist.

Das heißt, man muss verhindern, dass eine uneingeschränkte Komprehension unmöglich ist, indem man entweder die Bildung gewisser Mengenausdrücke verbietet oder die Komprehension axiomatisch einschränkt.

Typentheorie

Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Error: Unable to access jarfile /web/batik/batik-rasterizer.jar
Mengenuniversum, in der jede Menge der Stufe $ i $ ein Individuum der Stufe $ i+1 $ ist
Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Error: Unable to access jarfile /web/batik/batik-rasterizer.jar
Mengenuniversum, in der jede Menge der Stufe $ i $ ein Individuum aller Stufen $ j &gt; i $ ist

Die von Russell 1903 in seiner Typentheorie vorgeschlagene Lösung, Mengen abhängig von den darin enthaltenen Mengen hierarchisch in „Ebenen" anzuordnen, verhindert die Definition von $ \mathcal{R} $. Es gibt keine Ebene, auf der $ \mathcal{R} $ zu liegen käme[10] Russell ging von einer Menge von Grundelementen aus, die der Stufe 0 der Typhierarchie zugeordnet sind. Die Stufe n+1 der Typhierachie ist stets die Potenzmenge der Stufe n.

Stufe 0: 0, 1, 2, ... (irgendwelche Grundelemente, die keine Mengen sind)
Stufe 1: {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ...,
Stufe 2: {{}}, {{0}}, {{1}}, ..., {{0,1}}, {{0,2}}, ..., ..., {{},{0}}, ..., {{},{0},{0,1}}, ...
Stufe 3: ...

Diese Struktur ist allerdings ziemlich sperrig. Man kann z.B. keine Mengen der Art {1, {1,2,3}} bilden, da 1 und {1,2,3} auf unterschiedlichen Stufen liegen. Dieses Problem kann man lösen, wenn man dafür sorgt, dass jede Stufe nicht nur die Elemente der Potenzmenge der Vorgängerstufe enthält, sondern auch alle Elemente der Vorgängerstufe selbst.

Stufe 0: 0, 1, 2, ... (irgendwelche Grundelemente, die keine Mengen sind)
Stufe 1: 0, 1, 2, ..., {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ...
Stufe 2: 0, 1, 2, ..., {}, {0}, {1}, ..., {0,1}, {0,2}, ..., {{}}, {{}, 0}, {{}, 1}, ..., {{}, {0}}, {{}, 0, {0}}, ..., ...
Stufe 3: ...

Diese Ebenenstruktur wird Kumulative Typhierarchie genannt.[22] In beiden Fällen kann eine Menge $ n $-ter Stufe kann nur Mengen aus Stufen $ m $ kleiner $ n $ enthalten. Damit gibt es keine Mengen, die sich selbst enthalten (weil ja jede Menge derselben Stufe angehört wie sie selbst). Es gibt also keine „Menge aller Mengen“ und auch keine „Russellmenge“.

Axiomatische Mengenlehre (Zermelo, Fraenkel)

TO BE DONE

Klassen

Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Error: Unable to access jarfile /web/batik/batik-rasterizer.jar
Mengenuniversum, in dem zwischen Mengen und echten Klassen unterschieden wird; Mengen können als Individuen Elemente von beliebigen Klassen sein; für echte Klassen gilt dies dagegen nicht
Fehler beim Erstellen des Vorschaubildes: Error: Unable to access jarfile /web/batik/batik-rasterizer.jar
Man kann auf i. Allg. auf echte Individuen verzichten. Die leere Menge und die Möglichkeit, damit andere Mengen zu bilden, reichen aus, beliebige Individuen zu repräsentieren

Die modernere Klassenlehre verhindert die Definition von $ \mathcal{R} $ nicht vollständig. Sie verhindert allerdings, dass eine Menge $ \mathcal{R} $ definiert werden kann. $ \mathcal{R} $ wird hier als Unmenge oder echte Klasse bezeichnet.

Man nennt eine „Zusammenfassung von bestimmten Objekten unserer Anschauung und unseres Denkens“ zunächst einmal Klasse und nicht Menge. (Man beachte, dass zu Zeiten von Cantor, Russell und Co, die Begriffe Klasse und Menge noch synonymisch benutzt wurden.) Der wichtigste Unterschied zu Cantors Definition ist, dass man nicht von jeder Klasse fordert, ebenfalls ein solches „Objekt unserer Anschauung und unseres Denkens“ zu sein, das in irgendwelchen Zusammenfassungen enthalten sein kann. Das heißt, es kann Klassen geben, die kein Element irgendeiner anderen Klasse sind, zum Beispiel, weil sie einfach „zu groß“ sind. Im Gegensatz zu Cantors Zeiten unterscheidet man daher heute strikt zwischen „Mengen“ und „echten Klassen“ :

Eine Klasse heißt Menge, genau dann, wenn sie Element mindestens einer beliebigen Klasse ist.

Anderenfalls heißt sie echte Klasse oder Unmenge.

In der kumulativen Typhierarchie ist eine Menge ein Element, das auf irgendeiner Stufe (und damit ebenfalls auf allen darüber liegende Stufen) liegt. Die erste Stufe, auf der eine Menge zu liegen kommt, heißt definierende Stufe. Eine Unmenge ist dagegen eine Klasse, die kein Element einer anderen Klasse ist und für die es daher auch keine definierende Stufe gibt. Für die Elemente einer Unmenge gibt es dagegen schon definierende Stufen. Es gibt allerdings keine größte dieser Stufen. Das heißt, für jedes Element einer Unmenge gibt es beliebig viele weitere Elemente der Unmenge, deren definierenden Stufen oberhalb der definierenden Stufe dieses Elements liegt.

Beispiele für Unmengen sind die Allklasse, d. h. die Klasse, die alle Mengen enthält (aber nicht alle Klassen!), sowie die Russellklasse, die alle Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten. Die Russellklasse enthält sich nicht selbst, da sie die Bedingung „$ \mathcal{R} $ ist eine Menge“ nicht erfüllen kann (sonst ergäbe sich sofort die Russellsche Antinomie):

$ \mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \mbox{ ist eine Menge} \wedge \mathcal R \notin \mathcal R $

Wenn $ R \mbox{ ist eine Menge} $ gelten würde, ergäbe sich der Widerspruch $ \mathcal R \in \mathcal R \Leftrightarrow \mathcal R \notin \mathcal R $.

Also gilt $ \mathcal R $ ist keine Menge, sondern eine Unmenge und damit gilt (beweisbar!) $ \mathcal R \notin \mathcal R $, da eine Unmenge überhaupt kein Element irgendeiner Menge ist.

Es gibt noch Unmengen von weiteren Unmengen. :-)

Die „Klassenlehre“ hat sich bisher als sehr stabil erwiesen. Es wurden bislang keine weiteren Antinomien entdeckt und daher geht man davon aus, dass damit eine widerspruchsfreie Mengenlehre definiert wurde. Leider beweist Kurt Gödel mit seinem zweiten Unvollständigkeitssatz unter anderem auch, dass man die Widerspruchsfreiheit der zugehörigen Axiome der Mengenlehre nicht nachweisen kann.[23][24] Mit ein wenig Unsicherheit bezüglich dieser Definition müssen wir also bis in alle Zeiten leben. Vielleicht finden Sie ja eine neue Antinomie, die in den aktuellen Mengenlehre-Axiomensystemen enthalten ist. (Allerdings sollten Sie nicht Ihre Zeit damit verschwenden, da die Erfolgsaussichten doch sehr gering sind.)

Quellen

  1. Russell (1918): Bertrand Russell; The Philosophy of Logical Atomism; in: The Monist; Web-Link; 1918, 1919; Quellengüte: 5 (Artikel), S. 228
  2. 2,0 2,1 Frege (1893): Gottlob Frege; Grundgesetze der Arithmetik; Band: I; Verlag: Verlag Hermann Pohle; Adresse: Jena; Web-Link 0, Web-Link 1, Web-Link 2, Web-Link 3; 1893; Quellengüte: 5 (Buch)
  3. Russell (1903): Bertrand Russell; The Principles of Mathematics; Auflage: 2; Verlag: W. W. Norton & Company; Adresse: Berlin; Web-Link; 1903; Quellengüte: 5 (Buch)
  4. Kleene, Rosser (1935): Stephen Kleene und John Barkley Rosser; The inconsistency of certain formal logics; in: Mathematische Annalen; Band: 36; Nummer: 3; Seite(n): 630 – 636; Web-Link; 1935; Quellengüte: 5 (Artikel)
  5. Irvine, Deutsch (2014): Andrew David Irvine und Harry Deutsch; Russell's Paradox; Hrsg.: Edward N. Zalta; Reihe: The Stanford Encyclopedia of Philosophy; Auflage: Winter 2014 Edition; Hochschule: Stanford University; http://plato.stanford.edu/archives/win2014/entries/russell-paradox/; 2014; Quellengüte: 3 (Web)
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Gabriel et al. (1980): Gottlob Frege; Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Husserl, B. Russell sowie ausgewählte Einzelbriefe Freges; Hrsg.: Gottfried Gabriel, Friedrich Kambartel und Christian Thiel; Verlag: Meiner Felix Verlag; ISBN: 3787304827; Web-Link; 1980; Quellengüte: 5 (Buch), S. 59f, Brief von Russell an Frege vom 16. Juni 1902
  7. Frege (1903): Gottlob Frege; Grundgesetze der Arithmetik; Band: II; Verlag: Verlag Hermann Pohle; Adresse: Jena; Web-Link 0, Web-Link 1; 1903; Quellengüte: 5 (Buch), S. 253
  8. Frege (1893), S. VII
  9. Ebbinghaus (2015): Heinz-Dieter Ebbinghaus; Ernst Zermelo – An Approach to His Life and Work; Reihe: Hochschultaschenbuch; Auflage: 2; Verlag: Springer-Verlag; Adresse: Berlin, Heidelberg; ISBN: 978-3-662-47996-4; 2015; Quellengüte: 5 (Buch)
  10. 10,0 10,1 Russell (1903): Bertrand Russell; The Principles of Mathematics; Auflage: 2; Verlag: W. W. Norton & Company; Adresse: Berlin; Web-Link; 1903; Quellengüte: 5 (Buch), §§497–500
  11. Russell (1908): Bertrand Russell; Mathematical Logic as Based on the Theory of Types; in: American Journal of Mathematics; Band: 30; Nummer: 3; Seite(n): 222–262; Verlag: The Johns Hopkins University Presss; Adresse: Baltimore; Web-Link 0, Web-Link 1; 1908; Quellengüte: 5 (Artikel), S. 236ff
  12. Zermelo (1908b): Ernst Zermelo; Untersuchungen über die Grundlagen der Mengenlehre; in: Mathematische Annalen; Band: 65; Nummer: 2; Seite(n): 261–281; Verlag: B. G. Teubner Verlag; Adresse: Leipzig; ISSN: 0025-5831 (Print), 1432-1807 (Online); Web-Link 0, Web-Link 1; 1908; Quellengüte: 5 (Artikel)
  13. Neumann (1925): John von Neumann; Eine Axiomatisierung der Mengenlehre; in: Journal für die reine und angewandte Mathematik; Band: 154; Seite(n): 219-240; ISSN: 0075-4102, 1435-5345; Web-Link 0, Web-Link 1; 1925; Quellengüte: 5 (Artikel)
  14. Church (1941): Alonzo Church; The Calculi of Lambda-Conversion; Verlag: Princeton University Press; Adresse: Princeton, New Jork; Web-Link; 1941; Quellengüte: 5 (Buch)
  15. Glubrecht, Oberschelp, Todt (1983): Jürgen-Michael Glubrecht, Arnold Oberschelp und Günter Todt; Klassenlogik; Verlag: Bibliographisches Institut; Adresse: Mannheim, Wien, Zürich; ISBN: 3-411-01634-5, 978-3411016341; 1983; Quellengüte: 5 (Buch)
  16. Zermelo (1908a): Ernst Zermelo; Neuer Beweis für die Möglichkeit einer Wohlordnung; in: Mathematische Annalen; Band: 65; Seite(n): 107–128; Verlag: Springer Nature; ISSN: 0025-5831; 1432-1807/e; Web-Link 0, Web-Link 1; 1908; Quellengüte: 5 (Artikel), Fußnote **, S. 118–119
  17. Ebbinghaus (2015): Heinz-Dieter Ebbinghaus; Ernst Zermelo – An Approach to His Life and Work; Reihe: Hochschultaschenbuch; Auflage: 2; Verlag: Springer-Verlag; Adresse: Berlin, Heidelberg; ISBN: 978-3-662-47996-4; 2015; Quellengüte: 5 (Buch)
  18. Zermelo (1908a), S. 115, S. 124
  19. Zermelo (1908b), S. 261, S. 265
  20. Brief von Cantor an Dedekind vom 30. August 1899, Zermelo (1932): Georg Cantor; Georg Cantor: Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts – Mit erläuternden Anmerkungen sowie mit Ergänzungen aus dem Briefwechsel Cantor-Dedekind; Hrsg.: Ernst Zermelo; Auflage: 1; Verlag: Springer-Verlag; Adresse: Berlin; ISBN: 978-3662002544; Web-Link; 1932; Quellengüte: 5 (Buch), S. 448
  21. Cantor (1895): Georg Cantor; Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre; in: Mathematische Annalen; Band: 46; Nummer: 4; Seite(n): 481 – 512; Verlag: B. G. Teubner Verlag; Adresse: Leipzig; ISSN: 00255831 (Papier), 14321807 (Online); Web-Link 0, Web-Link 1, Web-Link 2, Web-Link 3; 1895; Quellengüte: 5 (Artikel)
  22. Felscher (1978): W. Felscher; Naive Mengen und abstrakte Zahlen; Band: 1; Verlag: BI-Wissenschaftsverlag; Adresse: Mannheim; ISBN: 3-411-01538-1; 1978; Quellengüte: 5 (Buch)
  23. Gödel (1931): Kurt Gödel; Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I; in: Monatshefte für Mathematik und Physik; Band: 38; Nummer: 1; Seite(n): 173-198; Verlag: Springer-Verlag GmbH; Adresse: Wien; Web-Link; 1931; Quellengüte: 5 (Artikel)
  24. Schwichtenberg (2009): Helmut Schwichtenberg; Mathematical Logic; Hochschule: Ludwig-Maximilians-Universität; Adresse: München; Web-Link; 2009; Quellengüte: 5 (Skript)

Siehe auch